Logistikhalle und Vormontagezentrum (Halle B) im Güterverkehrszentrum (GVZ) Ingolstadt

Mit Teamwork Grenzen überwinden: So sichert Audi die Versorgung

Ob Kabelstränge, Bordnetze oder Sitzbezüge: In der Ukraine gibt es zahlreiche Zulieferer der Autoindustrie. Doch der Krieg macht eine geordnete und langfristig planbare Produktion in den betroffenen Gebieten schwer möglich – das wirkt sich auf die Lieferketten aus, nicht nur bei Audi. „Alle Standorte, alle Autohersteller in Europa sind mehr oder weniger betroffen“, sagt Audi Beschaffungsvorstand Dirk Große-Loheide. Besonders massiv seien die Auswirkungen auf Lieferungen von Sitzbezügen und Kabelsträngen. Letztere bilden quasi die „Nervensysteme“ in Fahrzeugen und lassen sich nicht nachträglich einbauen. Audi erarbeitet deshalb seit Kriegsbeginn täglich und mit Hochdruck verschiedene Lösungen – gemeinsam mit den eigenen Krisenstäben, mit einer Taskforce des Volkswagen-Konzerns und natürlich mit den Lieferanten.

Große-Loheide: „Wir bauen Alternativen auf“
Die Lieferkette von Audi umfasst weltweit mehr als 14.000 Lieferanten aus mehr als 60 Ländern, 18 davon sind in der Ukraine angesiedelt. Die Beschäftigten in dem Land gehen zwar – sofern möglich – noch in die Werke und versuchen, die Produktion aufrechtzuhalten. Doch die Lage vor Ort ist heikel und sehr dynamisch. Audi steht deshalb in einem intensiven und regelmäßigen Austausch mit den Zulieferern, auch andernorts. Zusammen wird geschaut, wer welche Umfänge alternativ fertigen könnte und wo. „Wir duplizieren Werkzeuge und Kapazitäten, wir bauen Alternativen auf, lassen aber unsere Partner in der Ukraine nicht im Stich“, sagt Große-Loheide.

Krisenstäbe analysieren die Lage und finden Lösungen
Um die Lieferkette zu stabilisieren, haben sich Vertreter_innen aus allen Geschäftsbereichen im Audi Konzernkrisenstab Ukraine zusammengeschlossen. Sie beurteilen beispielsweise die möglichen Risiken des Krieges für Audi. Der Audi Konzernkrisenstab kümmert sich darum, dass die vier Ringe stabil bleiben. Zudem plant und analysiert ein Projektkrisenstab, wie die Fahrzeugproduktion bei Audi weiter- beziehungsweise wieder anlaufen kann. Noch immer ist die Versorgungslage von zahlreichen Unsicherheiten bestimmt. Zuletzt reduzierten die chinesischen Produktionsstandorte coronabedingt für einige Tage die Produktion. Auch die Versorgung mit Halbleitern ist weiterhin sehr angespannt. Mit Blick auf diese Herausforderungen steht für Große-Loheide fest: „Ich habe den Audi Spirit so kennengelernt, dass man sich unterhakt und nach Lösungen sucht, wenn es schwierig wird. Das werden wir jetzt wieder tun.“

Unter anderem für das Cockpit im Innenraum braucht es Kabelstränge. Sie bilden quasi das „Nervensystem“ des Fahrzeugs.

Fortschritte dank Partnerschaften
Der Volkswagen-Konzernvorstand hat ebenfalls unmittelbar nach Kriegsausbruch einen Krisenstab eingerichtet. Das Team des Konzerns – unter ihnen auch Audianer_innen – traf sich bereits kurz nach dem Beginn des Angriffs auf die Ukraine mit Mitarbeitenden von zehn Top-Lieferanten in Wolfsburg. Für das Treffen nutzten die rund 180 Teilnehmenden extra Räumlichkeiten in dem lokalen Fußballstadion.

Und der schnelle Einsatz hat sich gelohnt: Lieferanten in Osteuropa, Nordafrika und auch in Übersee springen bereits kurzfristig ein, reduzieren Ausfälle und unterstützen die Versorgung mit den betreffenden Komponenten. Dabei benötigt es normalerweise mehrere Monate, um beispielsweise die Fertigung von Sitzbezügen zu verlagern. Die Arbeitsgruppen haben das jetzt innerhalb von circa sechs Wochen geschafft – auch dank der Partnerschaften mit den Lieferanten.

Mit Vertrauen und Kooperation durch die Krise
Der Volkswagen-Konzern setzt somit auf Vertrauen und Kooperation. Unabhängig von den aktuellen Produktionsverlagerung steht er weiterhin zu seinen Zulieferern in der Ukraine und versucht alles, um die Unternehmen vor Ort zu unterstützen. Mögliche Überkapazitäten, die bei einem Kriegsende entstehen könnten, werden aktuell mit eingeplant – sie sind besser als ein Mangel an Teilen.

Auch die vier Ringe verfolgen diesen Ansatz weiter und setzen auf enge Kooperation mit den Lieferanten, Fachbereichen und Arbeitsgruppen. Und auf Flexibilität: „Wir werden auch dieses Jahr regelmäßig und kurzfristig auf Engpässe reagieren müssen“, sagt Große-Loheide. Der konkrete Verlauf des Krieges und seine Folgen seien nicht vorherzusagen. Diese Krise, davon ist er überzeugt, ließe sich nur mit Teamwork meistern.

Viele Lieferanten von Sitzbezügen (hier als Symbolbild) sind in der Ukraine ansässig. Deren Produktionsanlagen werden nun eins zu eins in anderen Werken aufgebaut.

3 Fragen an Dirk Große-Loheide

Herr Große-Loheide, was haben Sie seit dem Start des russischen Angriffs auf die Ukraine von den Zulieferern vor Ort gehört?
Was gerade in der Ukraine geschieht, entsetzt mich. Ich hoffe auf ein baldiges Ende der Kampfhandlungen und eine schnelle Rückkehr zur Diplomatie. Gleichzeitig berührt mich der Mut, mit dem die ukrainische Bevölkerung für sich einsteht. Noch heute erhalten wir Lieferungen aus dortigen Produktionsstandorten. Die Menschen gehen weiterhin zur Arbeit. Deshalb ist für mich ganz klar, dass wir weiterhin zu unseren Zulieferern dort stehen und Aufträge nicht abziehen werden.

Was heißt das genau?
Das heißt, dass wir bestimmte Umfänge beispielsweise duplizieren: Wir bauen die Produktionsanlagen aus den ukrainischen Standorten unserer Zulieferer eins zu eins in anderen Werken auf. So decken wir die Versorgungslücken ab, die durch die Kriegshandlungen entstehen. Dabei entsteht zuerst einmal der Eindruck, dass wir langfristig gesehen Überkapazitäten schaffen. Dies werden wir immer im Einzelfall abwägen. Wichtig ist auch, zu betonen: Jede Woche Stillstand in unseren Werken schadet auch uns. Zudem sehe ich uns klar in der Verantwortung, die ukrainische Bevölkerung nicht im Stich zu lassen. Denn auch in der Zukunft, nach Ende des Krieges, sind die Menschen dort auf Wirtschaftsbeziehungen angewiesen, um ihr Land wieder aufzubauen.

Wann rechnen Sie mit einer Stabilisierung der Teileversorgung?
Bereits einen Tag nach dem Angriff auf die Ukraine gab es erste Analysen zur Frage, welche Konsequenzen diese Situation für Audi haben wird. Die ersten Szenarien waren erschreckend. Doch das geschäftsbereichs-übergreifende Team aus Beschaffung, Produktion, Logistik, Technischer Entwicklung und Qualität hat schier Unglaubliches geleistet. Bereits Anfang April können wir die Produktion schrittweise wieder hochfahren. In knapp vier Wochen ist gelungen, wofür sonst Monate nötig sind. Ich werde nicht müde, zu betonen: Die Wahnsinnsleistung ist gelungen, weil wir alle an einem Strang ziehen, um das Beste für Audi zu erreichen. Dafür bin ich unendlich dankbar.

Dirk Große-Loheide
„Ich habe den Audi Spirit so kennengelernt, dass man sich unterhakt und nach Lösungen sucht, wenn es schwierig wird. Das werden wir jetzt wieder tun“, sagt Beschaffungsvorstand Dirk Große-Loheide.

Informationen zur Kurzarbeit bei Audi

Die herausfordernde Versorgungslage hat auch Auswirkungen auf die Fahrweisen an den Standorten in Ingolstadt und Neckarsulm. Mitarbeitende, die nicht im Werk sind, finden die aktuellsten Informationen bei wirsind.audi (passwortgeschützt) und auf der Website mitarbeiter.audi.