• Weltpremiere des ersten Nachkriegs-Audi im Herbst 1965 auf der IAA
  • Der Audi mit Viertaktmotor und einer Leistung von 72 PS führt die Auto Union GmbH aus der Krise der 1960er-Jahre
  • Vortrag von Audi-Historiker Ralf Friese am 23. Juli im Audi museum mobile
Die vier Ringe erfinden sich vor 60 Jahren neu: mit dem ersten Audi nach dem Zweiten Weltkrieg - Vor 60 Jahren beginnt in Ingolstadt eine neue Ära: Der erste Audi nach dem Zweiten Weltkrieg fährt am 13. August 1965 vom Band. Der intern F 103 genannte...

Vor 60 Jahren beginnt in Ingolstadt eine neue Ära: Der erste Audi nach dem Zweiten Weltkrieg fährt am 13. August 1965 vom Band. Mit ihm greift die Auto Union GmbH den traditionsreichen Markennamen Audi nach einem Vierteljahrhundert wieder auf. Dabei soll schon der Name zeigen, dass das Modell für einen technischen Neuanfang steht: Der Audi ist das erste Automobil der Marke mit Vierzylinder-Viertaktmotor. Der intern F 103 genannte Audi wird ein voller Erfolg und begründet eine ganze Baureihe, die – in Design und Technik weiterentwickelt – bis 1972 produziert wird.

Als der „neue Audi“ – wie er im Pressetext zur Weltpremiere auf der IAA genannt wird – 1965 auf den Markt kommt, befindet sich die Auto Union GmbH, das Vorgängerunternehmen der heutigen AUDI AG, in einer wirtschaftlich schwierigen Lage. Dabei ist die Firma herausfordernde Jahre durchaus gewohnt, schließlich war schon der Neustart nach dem Zweiten Weltkrieg alles andere als einfach: Deutschland liegt in Trümmern, die sächsische Auto Union AG wird zerschlagen und hat keine Zukunft. In diesen Nachkriegswirren gehen ehemalige Mitarbeitende der Auto Union in den Westen und gründen in Ingolstadt zunächst ein Zentraldepot für Ersatzteile, 1949 dann die Auto Union GmbH. Die junge Firma steigt in die Fahrzeugproduktion ein; ihre ersten Modelle, Motorräder und Lieferwagen der Marke DKW, finden in den Zeiten von Wiederaufbau und Wirtschaftswunder großen Absatz.

Mit wachsendem Wohlstand der Bevölkerung steigen bald auch die Ansprüche ans Automobil. Die auf Vorkriegstechnik basierenden DKW-Modelle gelten Mitte der 1960er-Jahre als nicht mehr zeitgemäß – die Marke DKW ist „out“. Insbesondere das lange Festhalten am Zweitaktmotor lässt die Verkaufszahlen kontinuierlich sinken: Das letzte Zweitaktmodell der Auto Union, der DKW F 102, bleibt trotz seines modernen Designs ein Ladenhüter. Und so steckt die Ingolstädter Auto Union GmbH in den 1960er-Jahren in der Krise. Zur gleichen Zeit kommt es auch zu Veränderungen in der Unternehmensstruktur. Die Daimler-Benz AG, von 1958 bis 1964 Eigentümerin der Auto Union, verkauft ihre Anteile Schritt für Schritt an die Volkswagenwerk AG in Wolfsburg, was in der Folge auch zu einer besseren Auslastung der Produktion führt. Als erster Retter in der Not erweist sich in diesen Tagen der VW Käfer: Zwischen den Jahren 1965 und 1969 montiert man in Ingolstadt fast 348.000 Exemplare des Volkswagen 1200/1300.

„Neuer Audi“ sorgt für technische und wirtschaftliche Trendwende

Noch viel entscheidender für die weitere Zukunft des Unternehmens erweist sich eine Entscheidung, die die alte Eigentümerin Daimler-Benz AG Anfang der 1960er getroffen hatte: Sie stellt der Tochter Anfang der 1960er-Jahre einen Viertaktmotor zur Verfügung. Zudem entsenden die Stuttgarter den Ingenieur Ludwig Kraus nach Ingolstadt, der dort später Chefentwickler wird. Kraus bringt den neuen Motor bei der Auto Union zur Serienreife und schafft so die Voraussetzungen für das erste Auto aus Ingolstadt mit Viertaktmotor. 1965 kommt der „neue Audi“ auf den Markt – 25 Jahre nachdem im Zuge der kriegsbedingten Produktionseinstellung 1940 der letzte Audi 920 das Montageband im sächsischen Zwickau verlassen hatte, und 55 Jahre nachdem mit dem Audi Typ A 10/22 PS das erste Audi-Automobil überhaupt ausgeliefert worden war.

In Ingolstadt will man den technischen Wandel auch mit dem Namen des neuen Modells sichtbar machen. Der Markenname „DKW“, seit jeher eng mit dem Zweitaktmotor verbunden, soll deshalb künftig für Fahrzeuge der Auto Union GmbH nicht mehr verwendet werden. Stattdessen erhält der neue Wagen den aus der Vorkriegszeit bekannten Namen „Audi“ – zunächst ganz ohne weiteren Zusatz und ohne eigene Typenbezeichnung. Im Handel steht das Auto als Auto Union „Typ Audi“; intern wird in der Nomenklatur kurzerhand weitergezählt: Aus dem DKW F 102 wird der F 103. Dieser „Neue“ wird dann zum Begründer einer ganzen Baureihe.

Und noch ein Detail ist aus Sicht des Historikers wichtig: Beim Namen für das neue Auto handelt es sich um eine reine Modellbezeichnung, der Name des Unternehmens lautet 1965 nach wie vor Auto Union GmbH. Erst 20 Jahre später entsteht 1985 die AUDI AG; seither tragen Unternehmen und Produkte den gleichen, kurzen und einprägsamen Namen: Audi.

Familienzuwachs: Aus dem Ur-Audi entsteht eine ganze Fahrzeugfamilie

Mit dem Aufkommen weiterer Modelle und Leistungsstufen gesellen sich zum neuen Audi der Audi 80, Audi Super 90, Audi 75 und Audi 60. Allein dem ersten Audi bleibt die „72“ während seiner gesamten Bauzeit verwehrt. Er heißt lediglich inoffiziell, bei Kundschaft und Presse, „Audi 72“ oder „Audi (72 PS)“. Seit August 1965 fährt er nun also vom Band, der neue Audi – ab dem Frühjahr 1966 gibt es ihn dann auch als Kombi; wie bei Volkswagen als „Variant“ bezeichnet. Die Limousinenmodelle gibt es zwei- und viertürig, auf Wunsch auch in gehobener Ausstattung – mit dem Namenszusatz „L“. 1966 ergänzt der Audi 80 mit einer Leistung von 80 PS die Baureihe, wenig später gibt es als Spitzenmodell den reichhaltig ausgestatteten Audi Super 90. Er unterscheidet sich optisch unter anderem durch serienmäßig verchromte Zierleisten an den Radläufen von den anderen Modellen und erreicht mit seinem hubraumgrößeren Motor und einer Leistung von 90 PS eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 160 km/h – zu dieser Zeit ein respektabler Wert. 1968 rundet das Volumenmodell Audi 60 mit 55 PS die Palette ab und der Audi 75 ersetzt die Varianten mit 72 und 80 PS.

In der Werbung ist beim Nachkriegs-Audi vom „Mitteldruck­motor“ die Rede, denn der 1,7-Liter-Motor liegt mit seinem Verdichtungsverhältnis von 11,2 : 1 zwischen einem damals typischen Otto- und einem Dieselmotor. Er ist auch länger als der DKW-Dreizylinder – deshalb muss der DKW F 102, der für den neuen Audi als Ausgangsbasis dient, um 100 Millimeter verlängert und der Kühler neben dem Motor auf der linken Seite schrägstehend eingebaut werden. Statt der runden Scheinwerfer wie im verchromten Grill des F 102 erhält der Audi Rechteckscheinwerfer in einem etwas breiteren schwarzen Kühlergitter. Serienmäßig gibt es ein Vierganggetriebe mit Lenkradschaltung, ein Automatikgetriebe wird in dieser Baureihe nicht angeboten. Wie sein Vorgänger, der DKW F 102, hat der neue Audi innen am Getriebe angebrachte Scheibenbremsen. Die Abkehr vom Zweitakter hat Signalwirkung: Bereits in den ers­ten drei Monaten können 16.000 neue Audi gebaut werden.

In seiner insgesamt siebenjährigen Bauzeit wird der F 103 nur geringfügig verändert. Zum Modelljahr 1970 erhalten alle Modelle parallellaufende anstelle der gegenläufigen Scheibenwischer sowie ein neu gestaltetes Armaturenbrett. Nun können die Kundinnen und Kunden gegen Aufpreis auch eine Mittelschaltung statt der serienmäßigen Lenkradschaltung bestellen. Im Sommer 1970 wird bei den Limousinen der Tankstutzen vom Heck in das rechte hintere Seitenteil verlegt. Die Rückleuchten werden stilistisch denen des seit 1968 gebauten Audi 100, der die erfolgreiche C-Baureihe bei Audi begründet, angeglichen.

Der Auto Union „Typ Audi“ wird bis zum Sommer 1972 produziert. Seine Nachfolge tritt Mitte 1972 der komplett neu entwickelte Audi 80 an. Das kleinste Modell der F 103 Familie, der Audi 60, wird das erfolgreichste; mehr als die Hälfte aller gebauten Audi der ersten Generation (416.852 Fahrzeuge) sind Audi 60 und Audi 60 L: insgesamt 216.987 Exemplare. Schon die Verkaufszahlen zeigen, wie bedeutend dieses Auto für die Marke mit den vier Ringen ist. Mit ihm gelingt die technische und wirtschaftliche Trendwende. Der neue Audi und seine Familienmitglieder stoßen zwischen 1965 und 1972 auf derart großes Interesse, dass sie damals nicht nur den Grundstein für eine zukunftsweisende Modellpalette von Audi legen, sondern die Auto Union zugleich wieder in die Erfolgsspur bringen und auf diese Weise auch zur langfristigen Eigenständigkeit der Marke Audi im Volkswagen-Konzern beitragen.

Vortrag am 23. Juli zum „F 103“ – seine Geschichte und Bedeutung für Audi

Audi-Historiker Ralf Friese erzählt am Mittwoch, 23. Juli, wie es zum ersten Audi nach dem Zweiten Weltkrieg kam und warum dieser „Ur-Audi“ so zentral für die weitere Entwicklung des Unternehmens mit den vier Ringen werden sollte. Die Veranstaltung im Audi museum mobile in Ingolstadt beginnt um 18 Uhr. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung per E-Mail an veranstaltungen.museum@audi.de oder telefonisch unter 0841 89-34433 erforderlich. Anmeldeschluss ist am Montag, 21. Juli. Der Vortragsabend beginnt am Mittwoch, 23. Juli, um 18 Uhr, Einlass ist ab 17:30 Uhr.


Hinweis für Medienschaffende: Auch Sie sind herzlich eingeladen – bitte akkreditieren Sie sich idealerweise rechtzeitig vorab per E-Mail an daniela.henger@audi.de.