Le Mans 2001
Frank Biela im Infineon Audi R8 #1

Im September 1999 hat die AUDI AG ihr neues Windkanal-Zentrum mit zwei innovativen Prüfständen, einem Aeroakustik- und einem Thermo-Windkanal in Betrieb genommen. Der Aeroakustik-Windkanal dient vor allem der Untersuchung von Fahrzeugumströmungen und Geräuschquellen. Jedoch auch die klassischen Aufgaben eines Windkanals, die Reduzierung des Luftwiderstands einer Karosserie sowie die Analyse von Auf- und Abtriebskräften, gehören zum Programm dieses Prüfstands. Damit will Audi das Windgeräuschniveau seiner Fahrzeuge noch weiter absenken und seinen technischen Vorsprung beim strömungsgünstigen Karosseriedesign ausbauen. Die zentrale Aufgabe des Thermo-Windkanals ist die Optimierung der Motorraumdurchströmung und damit der Kühlsysteme im Automobil.

Der Aeroakustik-Prüfstand von Audi mit seiner 47 m langen Röhre ist ein leiser Riese: Gegenwärtig hält er die Spitzenstellung als schnellster und zugleichgeräuschärmster Fahrzeug-Windkanal der Welt. Windgeschwindigkeiten bis zu 300 km/h sind möglich; bis zu 916 Kubikmeter Luft strömen dann in jeder Sekunde aus der Düse. Trotz des enormen Leistungsvermögens ist das Betriebsgeräusch extrem niedrig. Nur so lassen sich die Windgeräusche des Testfahrzeugs zuverlässig ermitteln.

Die Luft strömt im Windkanal in einem geschlossenen Kreislauf: Angetrieben von einem 2600 Kilowatt starken Gebläse, gelangt sie durch eine Röhre in die sogenannte Vorkammer, wo Turbulenzen wirksam herausgefiltert werden. Durch die daran anschließende Düse strömt der Luftstrahl nun beschleunigt in die Messhalle mit dem Testfahrzeug. Hinter dem Auto fängt schließlich ein großer, verschiebbarer Trichter, der Kollektor, die Luft wieder ein und leitet sie erneut in Richtung Gebläse.

Eine Besonderheit des Aeroakustik-Prüfstands von Audi stellt der geringe Querschnitt des Luftstrahls dar. Er strömt mit einer Fläche von nur 11 m2 aus der Düse. Die Vorteile liegen auf der Hand: leiser Betrieb, niedrige Anlagen- und Energiekosten und - besonders wichtig - die Möglichkeit für die Tester, sich auch bei voller Windgeschwindigkeit bis auf einen Meter dem Luftstrom nähern zu können. Das menschliche Ohr ist einer der sensibelsten Geräuschsensoren, deshalb spielt dieser Vorzug im Testalltag eine entscheidende Rolle.

Der Aeroakustik-Windkanal simuliert die Relativbewegung zwischen Straße und Fahrzeug. Der Boden unter dem Testfahrzeug bewegt sich mit der­selben Geschwindigkeit wie der Wind und ein Laufband rotiert mit bis zu 235 km/h. So entstehen Umströmungsverhältnisse, die denen auf einer realen Straße entsprechen. Die Räder des Pkw werden von vier Minilaufbänder angetrieben - damit lässt sich auch die Umströmung des Radbereichs realitätsnah simulieren.

Bei den Aeroakustik-Untersuchungen sitzen in den Testfahrzeugen Dummies, in deren Köpfen sich Mikrofone befinden. Diese sind exakt auf die Physiologie des menschlichen Ohrs abgestimmt. Vorhandene Windgeräusche lassen sich so mit Blick auf die subjektive Wahrnehmung der Insassen analysieren und modifizieren.

Da bei Tests im Thermo-Windkanal frühe Prototypen noch keinen bzw. nicht den endgültigen Motor enthalten, muss die Wärmeerzeugung für Kühlwasser, Motor- und Getriebeöl auf dem Prüfstand simuliert werden. So können die Ingenieure schon in dieser Entwicklungsphase die Funktionen der verschiedenen Kühler optimieren. Der Boden des Prüfstandes kann auf bis zu 60° C erwärmt werden, umextreme Bedingungen zu simulieren, wie eine sommerliche Fahrt über heißen Asphalt oder die Belastung durch einen Anhänger.

Durch den beheizten Glasboden der Messstrecke erkennen die Aerodynamik-Experten vom Untergeschoss aus, wie sich die Strömung unterhalb des Fahrzeuges verhält. Kritische Strömungszustände, eine wichtige Ursache für thermische Probleme, sind so zu identifizieren und abzustellen.

Aufschlussreiche Tests ermöglicht auch die Schnellverschlussklappe, die unmittelbar hinter der Düse angebracht ist. Mit diesem Metallschieber läßt sich – wie mit einem Fallbeil - der Luftstrom abrupt unterbrechen. Auf diese Weise simulieren die Audi-Ingenieure Situationen, in denen der Fahrtwind schlagartig nachlässt, beispielsweise beim abrupten Abbremsen am Stauende oder im Stop- and Go-Betrieb.