Audimobil Spezial: Ukraine

„Ich kann für andere nur hilfreich sein, wenn es mir selbst gut geht“

Der Krieg in Europa macht vielen Menschen Angst. Im Interview gibt Ute Heinrich vom Audi Gesundheitsschutz Hinweise für den Umgang mit der aktuellen Situation. Und erklärt, warum es in Ordnung ist, sich auch in schweren Zeiten mal zu freuen.

Schlechte Nachrichten gab es schon immer, warum berühren uns die Bilder und Informationen aus der Ukraine derzeit besonders?
Ich denke, dafür gibt es viele Gründe – und sind nicht bei allen dieselben. Zum einen ist es die lokale Nähe, die uns so betroffen macht. Es geht hier schließlich um einen Krieg in Europa und um Menschen aus unserem Kulturkreis, die bis vor wenigen Tagen das gleiche Leben lebten wie wir. Das macht es sehr einfach, sich in ihre Situation zu versetzen. Zudem sind viele von uns durch ihre familiären Verbindungen in die Ukraine oder in die benachbarten Staaten persönlich betroffen oder kennen zumindest jemanden, der betroffen ist. Hinzu kommt die große Unsicherheit, wie es weitergeht – und welche Auswirkungen der Krieg auf uns selbst haben wird.

Wie können wir mit unserer Betroffenheit und unseren Ängsten am besten klarkommen?
Die aktuelle und permanente Berichterstattung in den Medien oder auf digitalen Nachrichtenseiten kann überwältigend sein und Ängste fördern. Zu viele negative Nachrichten kosten Kraft und können zu Dauerstress führen. Daher ist es wichtig, bewusst Pausen vom Handy, vom Internet und auch von Nachrichten einzulegen. Niemandem bringt es etwas, wenn ich nicht schlafen kann, weil ich mir spätabends noch die zigste Talkshow zum Thema angesehen habe.

Gezielter Medienkonsum ist das eine. Was kann ich noch tun?
Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, sich selbst etwas Gutes zu tun – und zwar, ohne ein schlechtes Gewissen dabei zu haben. Keinem Geflüchteten ist geholfen, wenn ich mich über nichts mehr freue. Ich kann für andere nur hilfreich sein, wenn es mir selbst gut geht. Vielen Menschen hilft es zudem, anderen zu helfen. Dabei zählen nicht nur große Aktionen, sondern auch die kleinen Gesten – eben das, was ich in meiner Nähe bewegen kann und was meinen Fähigkeiten und Stärken entspricht.

Der Krieg verunsichert nicht nur uns Erwachsene, sondern auch die Kinder. Wie sollten wir uns hier am besten verhalten?
Als Erwachsene haben wir die Pflicht, auf die Sorgen der Kinder und Jugendlichen einzugehen, ihre Fragen dem Alter entsprechend zu beantworten und sie mit Nachrichten nicht alleinzulassen. Wir sollten in Gesprächen ruhig und gefasst bleiben, ihnen aber auch nichts vormachen – Kinder spüren das sehr schnell. Wichtig ist es, ihnen Halt zu geben, sie mit all ihren Gefühlen ernst zu nehmen und auch mal für Ablenkung zu sorgen. Eltern oder andere Erwachsene, die sich hier unsicher fühlen, finden im Netz viele Anregungen zum Umgang mit der aktuellen Situation.

Audimobil Spezial: Ukraine
Die Nachrichten vom Krieg in der Ukraine belasten viele Menschen. Ute Heinrich vom Audi Gesundheitsschutz erklärt, was jetzt beim Umgang mit der Angst zu beachten ist.

Anderen Halt geben ist schon eine Herausforderung für sich. Woran merke ich denn, dass ich selbst professionelle Hilfe benötige?
In der Regel zählen enorme Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit und Veränderungen der Lebensgewohnheiten zu den typischen Zeichen der Überforderung. Wenn ich aus dem Gedankenkarussell nicht mehr herauskomme, meine Lebensfreude verliere, eventuell sogar Angst habe, aus dem Haus zu gehen, dann wird es höchste Zeit, sich Hilfe zu holen. Mitarbeitende können sich in einer solchen Situation an das Audi Gesundheitsmanagement wenden oder finden unter dem Stichwort „Jede_r hat Psyche“ im Audi mynet sowie unter wirsind.audi wertvolle Informationen und Hilfsangebote.

Was sind Ihre Goldenen Regeln für mehr Resilienz, also psychische Widerstandskraft?
Besonders hilfreich ist Gelassenheit: Wenn ich Dinge, die ich nicht ändern kann, akzeptiere, und mich auf Lösungsansätze konzentriere, die für mich erreichbar sind, habe ich schon einen bedeutenden Schritt getan. Wichtig ist auch, sich der eigenen Gefühle bewusst zu werden und sich in schwierigeren Zeiten Unterstützung zu suchen, zum Beispiel durch eine Person aus dem Freundeskreis, die einem gut tut. Ebenfalls essenziell: Positiv denken! Wem das schwerfällt, kann mit einer einfachen Übung beginnen und jeden Abend vor dem Einschlafen an drei Dinge denken, die gut gelaufen sind. Klingt einfach – und hat aber eine enorme Wirkung.

Audimobil Spezial: Ukraine
Die aktuelle und permanente Berichterstattung in den Medien oder auf digitalen Nachrichtenseiten kann überwältigend sein und Ängste fördern.

Mit Kindern über den Krieg sprechen

Die Entwicklungen in der Ukraine bestürzen und verunsichern nicht nur die Erwachsenen. Auch Kinder und Jugendliche sind davon betroffen. Hier eine Reihe von Medien und Websites, die Erwachsenen beim Umgang mit den Sorgen und Ängsten der Jüngsten helfen:

Ukraine-Krise – Tipps für den Alltag

Audimobil Spezial: Ukraine
Auch Kinder bekommen mit, was in der Ukraine passiert. Für sie ist es jetzt besonders wichtig, dass Erwachsene ihnen zuhören und Halt geben.
  • Sensibel mit den individuellen Situationen anderer Personen umgehen und deren Sorgen und Emotionen ernstnehmen.
  • Akzeptieren, dass es unterschiedliche Meinungen zu politischen Themen gibt.
  • Toleranz leben, dies ist ein wesentlicher Grundpfeiler unserer Demokratie.
  • Diskussionen wertschätzend führen, empathisch, sachlich, neutral und unpolitisch.