Das Team der Part-Time Scientists entstand Ende 2008, ein Jahr nach dem Start des Google Lunar XPRIZE, auf Initiative des Berliner IT-Beraters Robert Böhme. Derzeit umfasst die Gruppe etwa 35 zumeist junge Ingenieure, von denen die meisten aus Deutschland und Österreich kommen. Experten aus drei Kontinenten verstärken das Team.

Es gab eine Zeit, in der die Menschen es eilig hatten, auf den Mond zu kommen. Der Wettkampf zwischen Ost und West endete am 21. Juli 1969, als im Rahmen der Mission Apollo 11 die ersten Menschen die Oberfläche betraten. Sechs bemannte Mondlandungen gab es insgesamt, aber kaum jemand kennt die Namen der Astronauten. Der Mond – das sind immer nur Neil Armstrong und Buzz Aldrin.

Buzz Aldrin, der zweite Mensch auf dem Erdtrabanten, steht auch als lebens-
große Pappfigur im Büro der Part-Time Scientists in Berlin-Hellersdorf. Seit April 2015 hat sich das Team um Robert Böhme hier in einem Industriegebiet ein-
gemietet. „Wir brauchen einen Ort, an dem man auch um drei Uhr nachts hämmern, Lärm und Dreck machen kann. Da sind wir hier richtig“, erklärt Teamleiter Robert Böhme.

 „An der Raumfahrt fasziniert mich ihre Einzigartigkeit. Es geht nicht um ein Produkt, das man an hunderte Kunden verkauft. Jede Mission ist ein Abenteuer“, sagt Karsten Becker. Der Hesse ist der Elektroniker im Team, zuständig für die Entwicklung der Verbindung zum Rover. „Unser Thema ist hohe Ingenieurskunst, nicht das Preisgeld", sagt er.

Das glaubt man auch, wenn man weiß, dass alle im Team ihr Engagement seit Jahren ehrenamtlich betreiben. Zehn bis 35 Menschen zählen zum harten Kern, insgesamt helfen bis zu 50 Weltraumfanatiker, Physiker, Mathematiker und Experten mit, darunter mit Jack Crenshaw ein alter NASA-Haudegen. Der 80-jährige Veteran hat schon Flugbahnen für die Apollo-Missionen berechnet.

Schon 2009 haben die Part-Time Scientists ihr erstes Erkundungsfahrzeug als Prototyp präsentiert. Es trug den Namen "Asimov" als Hommage an den russisch-amerikanischen Biochemiker und Science-Fiction-Schriftsteller Isaac Asimov. 2010 folgte der erste Prototyp der Landefähre, nach dem französischen Science-Fiction-Autor Jules Verne benannt.

Zu den Unterstützern der Gruppe gehören derzeit neben Audi mehrere Forschungseinrichtungen und Hightech-Unternehmen. Unter ihnen sind NVIDIA, die SLM Solutions Group, die CITIM GmbH, die Technische Universität Berlin, die TU Hamburg-Harburg, das Österreichische Weltraum Forum, die TU Wien, die LeitOn GmbH, die ProfitBricks GmbH, die Schneider-Kreuznach GmbH und ZweiGrad Industrial Design. Mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) besteht ebenfalls eine Kooperation. Die AUDI AG will mit ihrem Engagement bei den Part-Time Scientists weitere Partner animieren, ihr Know-how einzubringen.

Robert Böhme: "Es fehlt an Visionären"
Seit dem Start der Part Time-Scientists ist viel passiert im Leben des Robert Böhme. Er hat sich ausführlich mit Bill Gates unterhalten, im Januar 2015 hat die Google Lunar XPRIZE Foundation 750.000 US Dollar überwiesen. Böhme hat einiges erreicht. Aber das eigentliche Ziel ist immer noch weit entfernt – 384.400 Kilometer, die Distanz von der Erde zum Mond.

Andere würde diese Entfernung verunsichern, Robert Böhme schüchtert sie nicht ein. „Es ist gut, etwas zu haben, das deutlich größer ist als man selbst. Daran kann man wachsen“, sagt der 29-jährige, den seine Kollegen als unermüdlichen Optimisten, der das Team vorantreibt, beschreiben. Böhme ist der Kapitän, der seine in alle Himmelsrichtungen verstreute Mannschaft auf Kurs hält und der als Sprecher in der Öffentlichkeit auftritt.

Seine Haare haben schon erste graue Strähnen, aber Böhme spricht mit der Überzeugung eines Menschen, der hinter seiner Sache steht. Der Informatiker, der im Hauptberuf nach wie vor für eine IT-Sicherheitsfirma arbeitet, ist erst allmählich in seine Führungsrolle hinein gewachsen. „Das Basteln sein zu lassen, war der schwerste Schritt überhaupt“, gesteht er. „Aber irgendwann habe ich erkannt, dass es Leute gibt, die Platinen viel besser löten können als ich. Und dass es meine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass sie das in Ruhe tun können.“

Als 2008 jemand in sein Auto fuhr, erhielt Böhme, damals 22 Jahre alt, für den Totalschaden 16.000 Euro ausbezahlt. 10.000 Dollar davon überwies er für die Teilnahme am Google Lunar XPRIZE. Ein Freund hatte ihm eine Mail der Ausschreibung weitergeleitet.

Robert Böhme hatte schon immer seine eigenen Ziele, seinen eigenen Antrieb. Er wandert gern, um seine Gedanken zu ordnen, aber noch viel lieber ist er in Communities aktiv. Bereits vor den Part-Time Scientists hatte er ein auf dem Open Source-Prinzip beruhendes Internet-Radio aufgebaut, früher leitete er eine große Community für Linux-Einsteiger. Und als Fan der frühen Star Trek-Filme hatte er auch immer ein Auge im Weltraum. „Als Kind war ich fasziniert von dem Tricorder, mit dem man Menschen aus der Entfernung diagnostizieren konnte“, erinnert sich Böhme. „Aber heute stecken die Menschen zu sehr in einem Optimierungswahn fest. Es fehlt an Visionären." 

Karsten Becker: „Die Welt braucht mehr Ingenieure“
Wenn Karsten Becker auf seine Fernbedienung drückt, dann wechselt er kein Programm im Fernsehen. Aber es bewegt sich trotzdem etwas – auf dem Mond. Becker entwickelt die Verbindung zum Audi lunar quattro, dem Rover; von ihr hängt es ab, ob das Gefährt auf der Mondoberfläche zu steuern ist. „Als ich zum ersten Mal von dem Projekt gehört habe, war ich fasziniert", sagt der Elektronik-Spezialist. „Wir lassen uns nicht von Menschen beirren, die sagen, es geht nicht.“

Auf Beckers Tisch liegen Schraubenzieher, ein paar Kabel und eine Packung Gummibärchen. Auf dem Fensterbrett steht eine Kiste mit soeben angelieferten Modellen der Bodenplatten des Rovers. Wie alle im Team Part-Time Scientists hat auch Becker die letzten Jahre seiner Freizeit damit verbracht, die Mission weiter zu treiben.

Kurz nachdem der Hesse 2009 auf dem Chaos Computer Camp einen Vortrag von Robert Böhme gehört hatte, schloss er sich den Part-Time Scientists an. Seit Frühjahr 2015 aber ist das Unternehmen kein Hobbyprojekt mehr, und der ehemalige Doktorrand an der TU Hamburg arbeitet nun Vollzeit im neuen Büro in Hellersdorf. Er koordiniert Abläufe innerhalb einzelner Gruppen oder korrespondiert mit Lieferanten. Karsten Becker ist neben Robert Böhme das Gesicht des Teams nach außen.

Auf dem Gymnasium kam der Sohn eines Piloten zum ersten Mal mit Elektrotechnik und Informatik in Berührung. „Da habe ich im Rahmen einer Arbeit einen Roboterarm angesteuert“, erinnert er sich. „Ich muss die Dinge selbst machen, ich will Hand anlegen. Es gibt nichts Besseres als spielerische Motivation, und Part-Time Scientists ist dafür ein tolles Vehikel. Wir können jedem Fünfjährigen sagen: ‚Guck mal, ich baue ein Mondfahrzeug!’. So kann man Kinder für das Ingenieurswesen begeistern. Und ich bin der festen Überzeugung, dass die Welt mehr Ingenieure braucht als Anwälte oder Banker.“

Jürgen Brandner: „Der Mond als Sprungbrett zum Mars.“
Jürgen Brandner ist einer der Österreicher im Team. Einmal im Monat fliegt er von Salzburg nach Berlin, um sich mit den Kollegen vor Ort auszutauschen. „Wir sitzen meist bis Mitternacht", berichtet Brandner. „Wir haben keine strikten Arbeitsabläufe wie im normalen Job. Die Begeisterung für die Sache bringt es mit sich, dass wir oft freiwillig 16 Stunden im Büro verbringen, ohne die Zeit wahrzunehmen."

Diese Hingabe an die Sache kommt aus dem Bewusstsein, eine Aufgabe gefunden zu haben, in die man seine Leidenschaft stecken kann. Der Katalysator für die Part-Time Scientists war die Tatsache, dass Gleichgesinnte zueinander gefunden hatten, die ansonsten weiter vor sich hin geschraubt hätten, jeder in seinem Keller. Viele in der Gruppe eint zudem der Umstand, dass sie sich beruflich zunächst in eine ganz andere Richtung orientiert hatten.

Einmal stand Jürgen Brandner kurz davor, sich für ein Formel Eins-Team zu bewerben. Als er vom Google Lunar XPRIZE hörte, schrieb er einige deutsche Teilnehmer an. Seitdem ist der Österreicher bei den Part-Time Scientists dafür verantwortlich, dass die Mechanik des Rovers funktioniert; im Wesentlichen entwickelt er mit seinem Team sämtliche mechanische Bauteile.

Der 37-jährige kennt keine gedanklichen Barrieren. „Wir brauchen den Mond auch als Sprungbrett auf einer Reise zum Mars", erklärt er. „Deswegen schicken wir einen 3-D Drucker mit hoch. Auch wenn er nur einen kleinen Würfel drucken soll, wollen wir demonstrieren, dass es funktionieren kann. In der Zukunft muss man Bauteile auf dem Mond bauen. Wenn man alles Material mit einem Raumschiff von der Erde hochschießen wollte, würde die Überwindung der Schwerkraft zu viel Energie kosten."

Wenn man Brandner so reden hört, wundert man sich, warum er keine Science-Fiction-Bücher schreibt, sondern Fantasy-Romane verfasst. Das tägliche Schreiben ist für ihn der ideale Ausgleich zur Welt der Drähte, Monitore, Kabel und Solarzellen. Für seine deutschen Kollegen hat der Österreicher noch eine Überraschung in petto, sollte der Audi lunar quattro auf der Mondoberfläche aufsetzen. „Dann öffnen sich die Drop-Container, und heraus kommt eine rot-weiß-rote Fahne“, grinst Brandner. „Da werden die Jungs schön schauen!“

Die angegebenen Ausstattungen und Daten beziehen sich auf das in Deutschland angebotene Modellprogramm. Änderungen und Irrtümer vorbehalten.