• Smarte Fabrik: Audi und Fraunhofer-Institute erproben im Reallabor den Einsatz von KI und Robotik im Pick-Prozess
  • Bedürfnisanalyse als Herangehensweise: Neue Technologien sollen Mitarbeitende entlasten
  • Digitales Ökosystem: Im Rahmen der Automotive Initiative 2025 arbeitet Audi bereits eng mit dem Fraunhofer IAO zusammen, um die digitale Fabriktransformation voranzubringen
Audi erforscht den Pick-Prozess der Zukunft - Die Forschungspartner erproben auf einer eigenen Reallabor-Fläche direkt in der Produktion bis Ende des Jahres ergebnisoffen verschiedenste Technologien, sowohl aus dem Bereich Künstlicher Intelligenz (KI)...

Die Kleinserienfertigung in den Böllinger Höfen spielt als Reallabor eine besondere Rolle, um die Digitalisierung in Produktion und Logistik im Sinne der 360factory bei Audi voranzutreiben. Mit einem neuen Ansatz erforscht Audi Sport gemeinsam mit seinen Partnern aus den Fraunhofer Heilbronn Forschungs- und Innovationszentren HNFIZ die Zukunft des Pick-Prozesses in der Automobilfertigung: Zunächst identifizierte die sogenannte Bedürfnisanalyse Umfänge und Tätigkeiten, in denen das größte Potenzial zur Prozessoptimierung sowie zur Entlastung der Mitarbeitenden steckt. Im nächsten Schritt erproben die Forschungspartner auf einer eigenen Reallabor-Fläche direkt in der Produktion bis Ende des Jahres ergebnisoffen verschiedenste Technologien, sowohl aus dem Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) als auch Robotik.

Der manuelle Kommissionierprozess (Picking) in der Automobilproduktion beschreibt die gezielte Entnahme und Zusammenstellung von Fahrzeugteilen aus verschiedenen Logistikbehältern – dem sogenannten „Supermarkt“ – zur Versorgung der Produktionslinie. Audi Sport erforscht mit den Instituten Fraunhofer IAO und IPA, welche technologischen Ansätze sich für den Pick-Prozess bestmöglich in den Arbeitsalltag integrieren lassen – zum Beispiel, um die Auswahl falscher Teile zu minimieren, die Produktionsversorgung zu verbessern und die Mitarbeitenden körperlich zu entlasten. „Die Kleinserienfertigung in den Böllinger Höfen ist für solche Forschungszwecke ideal geeignet. Wir produzieren unter anderem die Audi e-tron GT-Familie. Diese Fahrzeuge haben einen hohen Individualisierungsgrad, was den Pick-Prozess durch die hohe Anzahl an unterschiedlichen Teilen besonders komplex und herausfordernd macht“, sagt Alexander Müller, Leiter Logistik der Audi Sport GmbH.

Eine Besonderheit des Forschungsprojekts ist die sogenannte vorgeschaltete Bedürfnisanalyse. Dabei führten Mitarbeitende den Pick-Prozess mit einer Eye-Tracking-Brille durch, die mithilfe von Infrarotkameras die Position und Bewegung der Augen erfasst. Durch die Brille lassen sich Daten wie beispielweise die Pupillendurchmesser und die Blickrichtung ermitteln. So lässt sich auswerten, wohin der Proband genau geschaut hat und welche Tätigkeiten mental am anstrengendsten sind. „Die Herangehensweise, zuerst zu schauen, an welchen Stellen die Mitarbeitenden Unterstützung benötigen, und davon die Nutzbarkeit neuartiger Technologien abzuleiten, zeigt unser übergeordnetes Ziel. Wir wollen die Effizienz sowie die Interaktion zwischen Mensch und Technologie im Werk verbessern. Dafür bringen wir die Innovationen und Forschung direkt vor Ort zu den zukünftigen Anwendern und erproben gemeinsam mögliche Lösungen“, erklärt Müller.

KI und mobile Robotik als Forschungsfelder

Die Erprobung findet auf einer eigens eingerichteten Reallabor-Fläche in den Böllinger Höfen statt. Auf einer abgegrenzten Fläche im Logistikbereich testen die Forschungspartner in einer realitätsgetreuen Kopie des „Supermarkts“, in dem der Pick-Prozess stattfindet, verschiedene technologische Hilfsmittel und Ansätze. Zum einen möchten Audi und die beiden Fraunhofer-Institute herausfinden, welche Einsatzpotenziale Künstliche Intelligenz (KI) wie beispielsweise Computer Vision im manuellen Picking bieten und wie der Mensch durch diese technologischen Lösungen bestmöglich unterstützt werden kann. Zum anderen prüfen die Forschungspartner die Einsatzpotenziale von mobiler Robotik. Die autonomen mobilen Knickarmroboter sind mit verschiedenen Greifern und einer 3D-Sensorik ausgestattet. Als Testbeispiele dienen echte Fahrzeugaufträge, um den Einsatz der KI- und Robotik-Lösungen realitätsnah zu simulieren. Durch das wiederholte Testen und Evaluieren im realen Umfeld lassen sich die tatsächlichen Anforderungen an den Praxiseinsatz besser erfassen und in den Entwicklungsprozess einbinden. Dadurch sowie durch die unmittelbare Einbindung der Mitarbeitenden in diesen Entwicklungsprozess entstehen passgenaue Lösungen.

„Mit dem Reallabor im Werk Böllinger Höfe bei Audi Sport schlagen wir ein neues Kapitel in der Zusammenarbeit von Forschung und Unternehmen auf. Im Reallabor haben wir erstmals die Möglichkeit, den Einsatz neuer Technologien in realen Arbeitsprozessen wissenschaftlich zu erproben. Dabei kommen die zentralen Impulse von den Werkerinnen und Werkern, die den Nutzen von Künstlicher Intelligenz, Sensorik oder Robotik in ihrer vertrauten Produktionsumgebung bewerten“, sagt Bernd Bienzeisler, Leiter des Forschungs- und Innovationszentrums Kognitive Dienstleistungssysteme KODIS am Fraunhofer IAO.

AI25: Digitale Fabriktransformation im digitalen Ökosystem

Mit dem Projekt baut Audi auf laufende Aktivitäten und die erfolgreiche Zusammenarbeit im Rahmen der Automotive Initiative 2025 (AI25) auf. Gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO und weiteren Partnern aus den Bereichen Wissenschaft, Forschung und Technologie hatte Audi 2021 die Initiative ins Leben gerufen. Die AI25 versteht sich als Kompetenznetzwerk, um die digitale Transformation der Automobilproduktion voranzubringen. Im Reallabor Böllinger Höfe werden innovative Lösungen aus der Zusammenarbeit in den Forschungsprojekten getestet und zur Serienreife entwickelt. Die Initiative ist Teil eines ganzen Ökosystems, das in der Region Heilbronn rund um den Innovationspark für Künstliche Intelligenz (IPAI) entsteht.