ALMS 2002
Frank Biela

Beim dritten Lauf der American Le Mans-Serie (ALMS) in Mid-Ohio hat sich Audi mit einem Doppelsieg für die Vorjahres-Niederlage gegen Panoz revanchiert. Aber auch dieses Mal zeigte sich, dass es auf der winkeligen Strecke im Herzen Ohios nicht genügt, das schnellste Auto zu haben. Die beiden Infineon Audi R8 des Teams Audi Sport North America waren im Schnitt eine Sekunde pro Runde schneller als die Panoz. Dichter Verkehr und insgesamt fünf Safety-Car-Phasen machten den Vorsprung, den die Audi Piloten herausfuhren, aber immer wieder zunichte.

So kam es zu einer dramatischen Schlussphase, in der die späteren Sieger Frank Biela und Emanuele Pirro sogar hinter den schnellsten Panoz zurückfielen. Gleichzeitig wählte die Crew des anderen Infineon Audi R8 eine gewagte Strategie und verzichtete auf den zweiten planmäßigen Tankstopp. Zum Erstaunen der Konkurrenz fuhr Tom Kristensen dank des sparsamen FSI-Motors im Heck seines Audi 62 Runden am Stück ohne nachzutanken. Um ein Haar wäre der Poker aufgegangen, doch kurz vor Ende des 2:45-Stunden-Rennens ging der Benzinvorrat im Tank seines R8 endgültig zur Neige. Kristensen fiel rund 300 Meter vor dem Ziel hinter Emanuele Pirro zurück, der sich inzwischen wieder an Jan Magnussen im Panoz vorbeigekämpft hatte, und rettete sich mit letzter Kraft als Zweiter vor den beiden Panoz über die Ziellinie.

Pech hatten Johnny Herbert und Stefan Johansson mit dem Vorjahres-R8 des Audi Kundenteams Champion: Das Duo lag zeitweise zwischen den beiden Werks Audi auf Platz zwei. Kurz vor Halbzeit des Rennens wurde Johnny Herbert jedoch von einem überrundeten GT-Fahrzeug touchiert und landete im Kiesbett. Herbert verlor durch den Ausrutscher und die folgende Reparatur einer beschädigten Hinterradaufhängung nicht nur neun Runden, sondern auch die Führung in der Gesamtwertung der ALMS an Tom Kristensen.

Zwei Wochen nach dem historischen Triumph in Le Mans demonstrierte Audi mit vier Siegen an einem Tag einmal mehr „Vorsprung durch Technik“: Doppelsieg in der ALMS, im Rahmenprogramm in Mid-Ohio ein Erfolg durch Michael Galati im Audi S4 – und beim Saisonhöhepunkt der DTM auf dem Norisring in Nürnberg zwei weitere Erfolge des Abt-Teams mit dem Abt-Audi TT-R.

Stimmen nach dem Rennen

Frank Biela (Infineon Audi R8 #1):
„Einerseits haben wir schon ein wenig Glück gehabt, dass das Benzin beim anderen Auto nicht gereicht hat. Andererseits hatten sie aber auch Glück, überhaupt ins Ziel zu kommen. Wir haben von Anfang an geführt, hatten einen Stopp mehr und waren damit auf der sicheren Seite. Die Strategie ist ganz knapp aufgegangen. Unser Auto lief sehr gut, der Verkehr war wie immer schlimm – aber das war für alle gleich.“

Emanuele Pirro (Infineon Audi R8 #1): „Während des ganzen Rennens war das Auto richtig gut, ich habe lediglich den vorletzten Restart verschlafen und dabei zwei Positionen verloren. Das Rennen war bis zum Ende offen. Ich wusste, auf welchen Reifen Tom fuhr und dass er in Führung lag, weil er nicht nachgetankt hatte. In den letzten beiden Runden habe ich gemerkt, dass Tom langsamer wurde. Da habe ich mir gedacht, dass er auf Reserve fährt und Benzin sparen muss – ein richtiger Thriller.“

Rinaldo Capello (Infineon Audi R8 #2): „Am Anfang war es mit dem Verkehr richtig hart. Ich hatte ein paar kleinere Probleme, weil der Heckdiffusor am Start beschädigt wurde. Aber das Auto war noch immer sehr gut. Wir haben bis zu den allerletzten Metern auf den Sieg gehofft, aber ein Rennen ist eben erst zu Ende, wenn man die Zielflagge sieht. Mid-Ohio hat uns leider wieder kein Glück gebracht, aber wir blicken schon auf das nächste Rennen am kommenden Sonntag in Road America.“

Tom Kristensen (Infineon Audi R8 #2): „Das Team hat mir gesagt, Benzin zu sparen und die Reifen zu schonen. Wir sind ein magereres Motorkennfeld gefahren. Dank der zurückhaltenden Fahrweise hat es fast gereicht, trotzdem haben wir nicht gewonnen. Es hat aber gezeigt, wie niedrig der Benzinverbrauch des FSI-Motors ist und wie mutig unsere Ingenieure sind. Wir haben eine riskante Strategie gewählt, die beinahe aufgegangen wäre. Wenn man bedenkt, dass wir von Platz fünf gestartet sind und Zweiter wurden, bin ich stolz auf das Team.“

Johnny Herbert (ADT Champion Audi R8 #38): „Bei der Anfahrt auf ‚Turn 5’ habe ich einen Porsche überrundet, der dann nach innen zog und mich in den Kies befördert hat. Unser Auto war ziemlich beschädigt, zudem hatten wir einen Reifendefekt. Das hat uns einige Runden gekostet, obwohl es das Champion-Team dank schneller Reparaturen möglich gemacht hat, dass wir das Rennen beendet haben.“

Stefan Johansson (ADT Champion Audi R8 #38): „Für mich war es ein ruhiges Wochenende, ich bin nicht viele Runden gefahren. Wir haben Johnny wegen der Punktesituation in der Meisterschaft die Möglichkeit gegeben, das Maximum an Runden zu fahren. Die Champion-Jungs haben einen großartigen Job gemacht, und so waren wir nach der Reparatur wieder sehr schnell unterwegs.“

Ralf Jüttner, Technischer Direktor Team Audi Sport North America:
„Was für ein Rennen! Emanuele ist bei einem Restart hinter Magnussen zurückgefallen, konnte sich aber wieder an ihm vorbeikämpfen. Tom nicht zum Nachtanken an die Box zu holen, war sicherlich ein großes Risiko. Er ist benzinsparend gefahren und der FSI-Motor hat seinen Part dazu getan – doch am Ende haben ihm 300 Meter gefehlt. Gott sei Dank konnte er sich noch als Zweiter über die Ziellinie retten. Für die Meisterschaft ist das Ergebnis Gold wert.“

Dr. Wolfgang Ullrich, Audi Sportchef: „Unsere beiden Teams haben es mit zwei verschiedenen Strategien versucht. Tom hat dabei sicherlich einen Rekord in geringem Kraftstoffverbrauch aufgestellt, aber am Ende haben ihm 300 Meter gefehlt. Es war spannend bis zum Schluss. Das war ein tolles Rennen, beide R8 waren über die gesamte Distanz konstant schnell. Die Fahrer haben bei dieser Hitze wirklich das Letzte aus den Autos herausgeholt und dabei gezeigt, dass man mit dem FSI-Motor Verbrauchsrekorde in jeder Form aufstellen kann.“

Ergebnisse

1. Pirro/Biela (Infineon Audi R8) 111 Runden
2. Capello/Kristensen (Infineon Audi R8) + 6,248 Sek.
3. Magnussen/Brabham (Panoz) + 24,955 Sek.
4. Herta/Auberlen (Panoz) + 40,230 Sek.
5. Weaver/Dyson/Leitzinger (R&S-Lincoln) 2 Rd. zur.
6. Fellows/O´Connell (Chevrolet) 5 Rd. zur.
7. Pilgrim/Collins (Chevrolet) 6 Rd. zur.
8. Duno/Maxwell (Panoz-Mugen) 7 Rd. zur.
9. Neuhaus/Field (Lola-Judd) 8 Rd. zur.
10. Herbert/Johansson (Audi R8) 9 Rd. zur.