Im Interview erläutert der Leiter LMP von Audi Sport die Ambitionen für 2015.

Sie haben für das Jahr 2015 eine Evolution des Le-Mans-Siegers Audi R18 e-tron quattro vorgestellt. Weshalb?

Erst 2014 hat die FIA WEC ein grundlegend neues, revolutionäres Effizienz-Reglement eingeführt. Dieses Regelwerk bietet noch viel Luft nach oben. Keiner der engagierten Hersteller hat beispielsweise 2014 die Grenzen der angebotenen Energieklassen ausgenutzt. Wir haben uns auf die Weiterentwicklung konzentriert und die Energiemenge unseres Hybridsystems von 2 auf 4 Megajoule verdoppelt. Einen neuen Schwerpunkt haben wir auf die Aerodynamik gelegt, weil wir dort Potenzial sehen. Bereits nach den ersten Tests haben uns die Fahrer bestätigt, dass sich der überarbeitete Rennwagen anfühlt wie ein neues Modell.

Vor einem Jahr war Audi in Le Mans stark und hat einen Doppelsieg gefeiert, allerdings die FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC nicht gewonnen. Wie wollen Sie in diesem Jahr Le Mans gewinnen und um den Titel kämpfen?

Audi hat Le Mans 13 Mal gewonnen. Wir wissen nur zu gut, dass man einen Sieg dort nicht planen kann. Wir tun alles, um drei perfekt vorbereitete R18 e-tron quattro auf höchstem technischem Niveau am Start zu haben – mit drei Fahrermannschaften, die ihre Aufgaben auch unter Druck fehlerlos beherrschen. Eine gute Strategie, eine geschlossene Mannschaftsleistung, das Wetter und die nötige Portion Glück sind nur einige weitere Faktoren bei diesem komplexen Rennen. Für die WEC haben wir auch in diesem Jahr unterschiedliche Aerodynamik-Varianten entwickelt. So können wir uns den jeweiligen Anforderungen am besten anpassen. Ein wesentlicher Grund, weshalb uns im Vorjahr der Titel entgangen ist, waren die fehlenden Punkte aus Silverstone. Dort sind uns die schnellsten Rundenzeiten in Qualifying und Rennen gelungen, aber wir mussten beim Saisonauftakt den ersten und einzigen Totalausfall in der WEC hinnehmen. Wer um den Titel fahren will, muss alles tun, um eine solche Situation zu vermeiden.

Die Regeln sind nicht zum Vorteil des Audi R18 e-tron quattro. Wie schwierig wird es in diesem Jahr?

Die Verantwortlichen bei FIA, WEC und ACO haben die schwierige Aufgabe zu bewältigen, gänzlich unterschiedliche technische Konzepte auszubalancieren – darunter auch Diesel- und Ottoantriebe. Das Reglement ist so festgeschrieben, dass bis Le Mans keine Änderung der Einstufungen vorgesehen ist. Danach wiederum erfolgt die Anpassung der neu homologierten Fahrzeug-Generation. Wir wünschen uns, dass der TDI-Antrieb so konkurrenzfähig eingestuft wird, dass wir Rennen gewinnen können. Vier Hersteller kämpfen in diesem Jahr in der LMP1-Klasse gegeneinander. Wir hoffen auf abwechslungsreiche Rennen.

Fahrerisch hat sich Audi Sport teilweise neu aufgestellt. Was heißt das?

Tatsächlich sind zwei unserer drei Teams noch nie in dieser Konstellation gefahren. Nur Marcel Fässler, André Lotterer und Benoît Tréluyer bilden auch im sechsten Jahr in Folge unverändert ein Team. Schaut man sich die Änderungen etwas genauer an, fallen sie aber weniger gravierend aus. Nach dem Rücktritt unserer Le-Mans-Legende Tom Kristensen ist ein Platz an der Seite von Loïc Duval und Lucas di Grassi frei geworden. Oliver Jarvis, der in diesem Jahr zum vierten Mal mit uns in Le Mans antritt, ist eine ideale Ergänzung zu Loïc und Lucas. Damit ist ein Generationenwechsel bei Audi abgeschlossen, denn Tom Kristensen war nach Dindo Capello und Allan McNish der dritte Fahrer eines erfolgreichen Trios, der verdient in den Rennsport-Ruhestand getreten ist. Im dritten Auto fahren Filipe Albuquerque und Marco Bonanomi zum zweiten Mal miteinander in Le Mans. Sie kennen sich aus den GT-Programmen von Audi Sport customer racing aber schon länger. Marco hat zum Beispiel mithilfe von Filipe einen GT-Titel in Italien gewonnen. Auch René Rast stammt aus diesem Umfeld und versteht sich bestens mit seinen beiden neuen Teamkollegen. Sein Le-Mans-Debüt beendete er 2014 auf Anhieb als Vierter seiner Klasse. Insofern bringt die Mannschaft viel mehr Erfahrung mit, als es die neuen Fahrerpaarungen auf den ersten Blick vermuten lassen.

Zum ersten Mal startet die WEC 2015 in Deutschland. Was erwarten Sie?

Alle Langstrecken-Fans geraten bei einem Sportwagen-Rennen auf dem Nürburgring ins Schwelgen. Es gab etwa 30 Jahre lang eine große Tradition der 1.000-Kilometer-Rennen in der Eifel. Leider sind in den letzten zwei Jahrzehnten nur noch vereinzelt Sportprototypen auf dem Nürburgring gefahren – Audi hat zum Beispiel 2004 gewonnen. Wir wünschen uns, dass möglichst viele Zuschauer das attraktive Angebot annehmen und uns vor Ort unterstützen. Für uns ist der Lauf in der Eifel am 30. August das Ende der ersten Saisonhälfte und der Abschied aus Europa, denn dann stehen vier Übersee-Rennen auf dem Programm. Natürlich wollen wir uns mit einem guten Ergebnis vom Heimpublikum in die Übersee-Saison verabschieden.