Homestory Stéphane Peterhansel

Der Blitzstarter

Erst 2014 wurde Offroad-Motorrad-Fahrer Edouard Boulanger nach einer eigenen Karriere als Fahrer zum Co-Piloten. Der Franzose übernahm diese Aufgabe an der Seite Stéphane Peterhansels von dessen Ehefrau Andrea. Auf Anhieb gewann das neue Cockpit-Duo die Rallye Dakar 2021.

Der Dakar-Sieg war für Edouard Boulanger die zweite unerwartete Riesenüberraschung: „Neben Stéphane fahren und ihm assistieren zu dürfen, das war schon ein Traum. Aber gleich mit ihm im ersten gemeinsamen Jahr die Dakar auch noch zu gewinnen, davon habe ich nicht einmal zu träumen gewagt.“

Ein dritter Traum ist inzwischen ebenfalls Wirklichkeit geworden für Edouard Boulanger: „Ich darf nicht nur mit Stéphane weiterarbeiten, sondern bin jetzt auch Team-Mitglied von Audi mit seiner großartigen Motorsport-Historie.“ Das betrachtet der Franzose als weiteren wichtigen Karriereschritt. Denn: „Wenn Audi im Motorsport irgendwo einsteigt, dann niemals, um Zweiter zu werden. Sie setzen jede Menge Energie, Ressourcen und Know-how ein, um alle anderen zu besiegen.“

Vor allem deshalb empfinde er eine „Riesenverantwortung“. Boulangers Konsequenz daraus: „Ich bin hier in einem Team mit riesigen Erwartungen. Also habe ich jede Menge zu lernen. Denn der erste Einsatz der elektrischen Antriebstechnologie bei der Dakar-Rallye, dieser Transformationsprozess, ist wohl einer der wichtigsten Momente in der Welt des Motorsports.“ Da spricht aus ihm der erfahrene und begeisterte Maschinenbau-Ingenieur.

Ebenso, wenn Edouard Boulanger dies sagt: „Das erste Dakar-Jahr ist immer das schwierigste. Reale Rennbedingungen kannst du nicht am Computer oder im Meetingraum vorausplanen, du musst sie erleben.“ Als größte Herausforderung sieht er bei der Dakar-Premiere von Audi die Zuverlässigkeit.

„Wir als Crew im Cockpit müssen vor allem lernen, all die mit dem elektrifizierten Antrieb verbundenen neuen Technologien zu managen, das Batterie-System und so weiter.“ Diese Aussage von Edouard Boulanger macht deutlich: Ein Beifahrer ist speziell bei der Rallye Dakar weit mehr als nur der Navigator.

„Wir Co-Piloten sind multiqualifizierte Menschen“, bringt es der Franzose auf den Punkt. „Wir müssen unserem Fahrer in jeder Situation helfen. Wir müssen ihm nicht nur die aktuellen Informationen über den Verlauf der Route und den Zustand der Piste kurz, knapp und klar mitteilen, sondern auch unsere Eindrücke zur jeweils aktuellen Verfassung des Autos möglichst präzise schildern.“

Bei Pannen, meistens Reifenschäden, ist schnelles und korrektes Reparieren vom Beifahrer gefragt. „Deshalb trainiere ich mit dem Mechanik- und Sicherheitsequipment sowie mit der neuen E-Antriebstechnologie noch mehr als mit den Navigationssystemen“, berichtet Boulanger.

Auf dem Motorrad zog es ihn hinaus auf die großen Marathon-Rallye-Strecken der Welt. „Doch ich hatte nie das Talent und die Fähigkeiten wie Stéphane“, räumt Edouard Boulanger freimütig ein. Trotzdem verstanden sich die beiden schon besonders gut, als sie noch Konkurrenten auf zwei Rädern waren. Wie Peterhansel fasziniert auch Boulanger neben Fahren und Technik das, was die Natur entlang der Marathon-Strecken bietet. „Egal, wo die Rallye Dakar stattfindet, sie führt dich an faszinierende Orte, die du als Tourist nicht und meist auch nicht als Einheimischer jemals mit eigenen Augen zu sehen bekommst.“

Einen guten Ruf erarbeitete sich Edouard Boulanger in der Marathon-Branche besonders als Coach für den Motorrad-Nachwuchs in Diensten eines Werksteams. „Ich brachte den Jungs den Umgang mit den verschiedensten Navigationssystemen bei. Aber auch, wie man ein Roadbook richtig und effektiv nutzt.“ Hintergrund: Die bei Marathon-Rallyes von den Veranstaltern verteilten Streckeninfos müssen laut Boulanger selektiv gelesen werden. „Gerade als Motorradfahrer, der ja ganz auf sich allein gestellt ist in solch einem Wettbewerb, hast du gar keine Zeit, um alle Informationen zu studieren.“

2021 wurde bei der Rallye Dakar zum ersten Mal nach einem digitalen statt nach einem analogen, also auf Papier gedruckten Roadbook gefahren. „Im Gegensatz zu früher am Abend vor der nächsten Prüfung, bekommst du nun erst fünfzehn Minuten vor Beginn des neuen Rallyetages per Upload die Detailinfos zur bevorstehenden Etappe“, erklärt Boulanger.

Und wie arbeitet es sich mit dem Rennfahrer, welcher der Rallye Dakar seinen Stempel aufgedrückt hat wie kein anderer? „Mit Stéphane ist es wirklich easy“, antwortet Edouard Boulanger. „Ich habe null Zweifel an seinen Fähigkeiten. Was unsere Zusammenarbeit enorm vereinfacht, ist unsere gemeinsame Muttersprache. Das gilt ebenfalls für die beiden anderen Dakar-Crews von Audi. Im Rennen muss oft innerhalb von Millisekunden entschieden werden. Da reicht ein falsch verstandenes Wort, schon passiert ein Fehler und du handelst dir mindestens einen Zeitverlust ein.“

Doch selbst wenn das passiert: „Stéphane gerät nie in Stress, fängt nicht an zu schreien. Er bleibt stets relaxt und versucht mir zu helfen. Diese Charaktereigenschaft schätze ich noch mehr an ihm als all sein Können und seine Erfolge als Rennfahrer.“

Biografie
Edouard Boulanger (F)

Geburtsdatum: 4. Mai 1979
Geburtsort: Nancy (F)
Wohnort: Jongny (CH)
Familienstand: verheiratet mit Constanza, zwei Töchter (Aude und Claire)
Größe/Gewicht: 1,77 m/68 kg
Motorsport seit: 1997 (Audi-Beifahrer seit 2021)

Karriere als Fahrer:

1998–2010 Enduro
2005
13. Platz Pharaonen Rallye (Motorrad)
2009
Finale Erzberg Rodeo (Motorrad)
2011
1. Platz Dakar Challenge (Motorrad), 5. Platz Pharaonen Rallye (Motorrad)
2012
Rallye Dakar (Motorrad)

Karriere als Beifahrer:

2014 Baja Spanien (Fahrer Peter Jerie), Baja Polen (Fahrer Taddy Blasuziak), Marokko Rallye (Fahrer Peter Jerie)
2015
Rallye Dakar (Fahrer Geof Ohlom), Baja Spanien (Fahrer Khalid Al Qassimi)
2020
1. Platz Baja Polen, 3. Platz Baja Hail 1 und 2, 4. Platz Rallye Andalusien (Fahrer jeweils Stéphane Peterhansel)
2021
1. Platz Rallye Dakar (Fahrer Stéphane Peterhansel), Audi-Dakar-Projekt

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