2020 enstand die erste Konzeptidee des Audi RS Q e-tron, ein Jahr später durchlief der Prototyp eine intensive Erprobung, im Januar 2022 stand die Feuertaufe bei der Rallye Dakar im Programm. Nach dem ersten Rallye-Sieg im März präsentierte Audi Sport im September 2022 die zweite Evolutionsstufe. Sie präsentiert sich in vielen Bereichen von Gewicht über Aerodynamik bis zur Effizienz weiter optimiert.

Als erster Automobilhersteller möchte Audi mit einem elektrifizierten Antrieb in Kombination mit einem effizienten Energiewandler gegen konventionell angetriebene Wettbewerber um den Gesamtsieg bei der härtesten Rallye der Welt kämpfen. „Der Audi RS Q e-tron weist den Weg in die Zukunft“, sagt Audi-Motorsportchef Rolf Michl. „Er tritt in der T1-Ultimate-Kategorie für schadstoffarme Fahrzeuge an. Seine Technologie beweist sich in einer unglaublich rauen Motorsport-Disziplin. Ein härteres Testfeld für Elektromobilität ist kaum vorstellbar. Das Grundkonzept hat sich so gut bewährt, dass wir es auch für die zweite Evolutionsstufe übernommen haben.“

Weil es in der Wüste keine Ladesäulen gibt, hat Audi ein innovatives Ladekonzept gewählt: An Bord des Audi RS Q e-tron befindet sich der hocheffiziente TFSI-Motor aus der DTM. Er ist Teil eines Energiewandlers, der die Hochvoltbatterie während der Fahrt auflädt. Da der Verbrennungsmotor im besonders effizienten Drehzahlbereich zwischen 4.500 und 6.000 Umdrehungen pro Minute betrieben wird, liegt der spezifische Verbrauch deutlich unter 200 Gramm pro kWh.

Der Antriebsstrang des Audi RS Q e-tron ist elektrisch. An der Vorderachse und der Hinterachse sitzt jeweils eine Motor-Generator-Einheit (MGU). Eine dritte MGU ist Teil des Energiewandlers und dient dazu, die Hochvoltbatterie während der Fahrt wieder aufzuladen. Zusätzlich wird Energie beim Bremsen rekuperiert. Die Batterie wiegt etwa 370 Kilogramm und hat eine Kapazität von 52 kWh.

„Auch die Batterie ist eine Eigenentwicklung, die wir gemeinsam mit einem Partner realisiert haben“, sagt Stefan Dreyer, Entwicklungschef von Audi Sport für die Motorsport-Projekte. „Als Ingenieure sehen wir prinzipiell in jeder Komponente Entwicklungspotenzial. Aber beim Antrieb haben wir in der Formel E bereits eine Systemeffizienz von über 97 Prozent erreicht. Da gibt es nicht mehr viel Spielraum. Ganz anders sieht es bei der Batterie und dem Energiemanagement aus. Dort liegt in der Elektromobilität generell das größte Entwicklungspotenzial. Was wir bei dem überaus herausfordernden Dakar-Projekt lernen, wird in zukünftige Serienmodelle einfließen. Wie immer arbeiten wir auch bei diesem Projekt eng mit unseren Kollegen aus der Serienentwicklung zusammen.“

Das Reglement hat die maximale Antriebsleistung von bislang 288 kW ab der Saison 2023 auf 263 kW verringert. Der Elektroantrieb bietet viele Vorteile. Die Elektromotoren lassen sich extrem präzise ansteuern und sorgen so für eine gute Fahrbarkeit. Zudem lässt sich Bremsenergie zurückgewinnen. Zu den Lerneffekten aus der ersten Saison zählt eine verbesserte elektronische Steuerung. Sie hat sich bei den ersten Rallyeeinsätzen bestens bewährt. Nur in Extremfällen ergaben sich Herausforderungen. So notierte Audi bei der Rallye Dakar in Situationen, in denen die Räder beim Sprung oder auf unebenem Gelände wenig Bodenkontakt hatten, kurzfristige Leistungsüberschüsse. Die Verantwortlichen des Automobil-Weltverbandes FIA greifen bereits ab einer Schwelle von 2 Kilojoule Energieüberschuss ein und verteilen Sportstrafen. „Zum Vergleich: Pro Sekunde fließt innerhalb der zulässigen Grenzen mehr als die einhundertfache Energiemenge an die Motoren“, sagt Florian Semlinger, Entwicklung Embedded Software, Applikation und Prüfstand. „Wir hätten es uns einfach machen können und unsere Schwelle um mehrere Kilowatt niedriger ansetzen können, aber das hätte Performance-Nachteile bedeutet. Stattdessen haben wir viel Feinarbeit in die Leistungsregler gesteckt.“ Zwei einzelne Limits – eines für jede Maschine – berechnet die Software nun im Millisekundenbereich neu. Damit arbeitet sie exakt entlang der zulässigen Grenze.

Der Audi RS Q e-tron kommt mit einem Vorwärtsgang aus. Vorder- und Hinterachse sind wie auch bei Elektrofahrzeugen üblich nicht mechanisch miteinander verbunden. Die von Audi entwickelte Software übernimmt die Drehmomentverteilung zwischen den Achsen und erzeugt somit ein virtuelles, frei konfigurierbares Mitteldifferential – mit dem positiven Nebeneffekt, das Gewicht und den Platzbedarf von Kardanwellen und einem mechanischen Differential einsparen zu können.

Ganz neu ist die Karosserie, die nicht ein einziges Bauteil mit der ersten Evolutionsstufe gemeinsam hat. Sie bietet zwei große Vorteile: Sie hilft, das Gewicht um mehrere Dutzend Kilogramm bis zum angehobenen Mindestgewicht von 2.100 Kilogramm abzusenken. Zugleich ist sie deutlich aerodynamischer und reduziert den Gesamtwiderstand – also das Produkt aus cW-Wert und Stirnfläche – um 15 Prozent. Dadurch ändert sich nichts an der Höchstgeschwindigkeit. Sie bleibt im Reglement weiterhin auf 170 km/h begrenzt. Dennoch bietet der verbesserte Luftfluss den Vorteil, den elektrischen Energiebedarf des Autos weiter zu verringern.

Audi hat den RS Q e-tron auch in weiteren Bereichen für die Saison 2023 verbessert. Eine optimierte Steuerung der Nebenverbraucher verbessert den Energiehaushalt spürbar. So läuft die Klimaanlage ab sofort nur noch im intermittierenden Betrieb. Auch bei den Lüftern und der Servopumpe ist die Betriebsstrategie optimiert. So lassen sich die Systeme nun bei den geringeren Belastungen auf den Verbindungsetappen anders regulieren als auf den Wertungsprüfungen.

Im Cockpit, aber auch beim Radwechsel profitieren Mattias Ekström/Emil Bergkvist, Stéphane Peterhansel/Edouard Boulanger und Carlos Sainz/Lucas Cruz von einer verbesserten Ergonomie und einer überarbeiteten Bedienlogik. Die Ingenieure haben beispielsweise das zentrale Switchpanel im Sichtfeld von Fahrern und Beifahrern mit seinen 24 Feldern neu strukturiert: Die einzelnen Funktionen sind in vier Bereiche (Stage, Road, Error und Settings) gruppiert und erleichtern so einen schnellen Zugriff. Zerstören scharfe Felsen auf den Prüfungen einen Reifen, so lässt sich das Rad noch schneller wechseln. Leicht entfernbare Karosseriebauteile helfen beim Verstauen, während die neuen Zehn-Speichen-Felgen von Partner Rotiform deutlich griffgünstiger ausfallen und ihrerseits den Wechsel erleichtern.

Einen Meilenstein setzt der RS Q e-tron schließlich beim Thema Emissionen. Künftig nutzt Audi reFuel als Kraftstoff. Um die Kohlenstoffdioxidemissionen weiter zu verringern, setzt Audi dabei auf reststoffbasierte Produkte, die nicht mit Nahrungsmitteln konkurrieren. Dahinter steht ein Verfahren, das Biomasse in einem ersten Schritt zu Ethanol verwandelt. Daraus entsteht in weiteren Verfahrensschritten der endgültige Kraftstoff. Abgekürzt lautet der Prozess Ethanol-to-Gasoline (ETG). Als Ausgangsprodukt nutzen die Verfahrenstechniker biogene Pflanzenteile.

Der Tankinhalt des RS Q e-tron besteht zu 80 Prozent aus nachhaltigen Komponenten, darunter ETG und e-Methanol. Aus diesem Kraftstoff erzeugt der Energiewandler per Generator Strom für den elektrischen Antrieb. Der verbrennungsmotorische Part arbeitet dabei mit hoher Verdichtung und somit sehr effizient. Während also das Antriebskonzept grundsätzlich gegenüber konventionellen Systemen bereits weniger Kraftstoff benötigt, ergibt sich nun eine weitere Optimierung. „Mit dieser Kraftstoffmischung spart der Audi RS Q e-tron mehr als 60 Prozent Kohlenstoffdioxidemissionen ein“, sagt Dr. Fabian Titus, Entwicklung Applikation und Thermodynamik.

Ersten Tests der neuen Evolution zur Saisonmitte 2022 in Europa und Afrika folgte im Oktober 2022 der erste Start. Bei der Rallye Marokko konnten die Audi Sport-Fahrerpaarungen die Innovationen unter Wettbewerbsbedingungen kennenlernen, bevor sie die Rallye Dakar 2023 mit dem innovativen Prototyp in Angriff nehmen.