• „Streuobst erfassen, bewerten und vermitteln“: Forschungsprojekt sichert Streuobstbestände langfristig und schützt Biodiversität
  • Drohnen- und Infrarotbilder ergeben ein Streuobstkataster, über das Privatpersonen Baumpatenschaften übernehmen können
  • Rüdiger Recknagel, Geschäftsführer der Audi Stiftung für Umwelt: „Projekt kombiniert wissenschaftliches Know-how mit persönlichem Engagement“
Drohnen für den Umweltschutz: Monitoring von Streuobstbeständen erfolgreich abgeschlossen

Im Sommer 2018 startete das Projekt – jetzt werden die Ergebnisse vorgestellt: In den vergangenen drei Jahren kreisten immer wieder Forschungsdrohnen der Pädagogischen Hochschule Heidelberg über die Streuobstgebiete der Gemeinde Bad Schönborn zwischen Heidelberg und Karlsruhe. Die Drohnen unterzogen ein rund 500 Hektar umfassendes Areal, davon zirka zehn Hektar Streuobstwiesen, einem umfangreichen Monitoring, das die Obstbaumbestände automatisiert digital klassifiziert und bewertet hat. Dabei wurden die Bäume hinsichtlich ihres Gesundheitszustands kategorisiert – und können nun zielgenau durch Pflegemaßnahmen in ihrer Vitalität verbessert werden. Über eine eigens geschaffene Plattform werden auch Privatpersonen dazu eingeladen, sich im Rahmen von „Baumpatenschaften“ für die Pflege der Obstbäume einzusetzen. Die Audi Stiftung für Umwelt förderte das Projekt über den gesamten Zeitraum.

Schutz der Biodiversität durch verbesserte Pflege der Bäume

Das abschließende Ergebnis des Projekts, an dem neben der Audi Stiftung für Umwelt und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg auch der Landschaftserhaltungsverband des Landkreises Karlsruhe und der Arbeitskreis Heimat, Natur und Umwelt Bad Schönborn (AHNU) beteiligt sind, liegt nun vor: Bei etwa 20 Prozent des Bestands wurde dringender Pflegebedarf ermittelt, bei rund der Hälfte wenig Bedarf und bei 28 Prozent kein Bedarf. Bei den Baumarten handelt es sich zu zwei Dritteln um Apfelbäume, gefolgt von Birnen-, Walnuss-, Pflaumen-, Zwetschge- und Kirschbäumen. Diesem Bestand soll künftig die richtige Pflege zukommen, vor allem durch regelmäßigen Baumschnitt. Denn damit werden noch weiter reichende Effekte erzielt: Langfristig wird eine Verbesserung der Vitalität der Bäume zur Biodiversität der Fläche, also zur Sicherung des Lebensraums heimischer Tiere und Insekten, beitragen.

Multispektralbilder zur Bewertung der Intensität der Photosynthese

„Die große Herausforderung war die riesige Datenmenge, die wir von den Drohnen erhalten haben“, resümiert Alexander Siegmund, Professor für Physische Geographie und Leiter des Projektteams an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. „Sie haben alle zwei Sekunden eine Aufnahme gemacht, insgesamt rund 120.000 Bilder. Daraus ein valides Gesamtbild zu erstellen, erforderte eine enorme Rechenleistung.“ Zumal es bei den Drohnenbildern allein nicht blieb. Zusätzlich wurden Multispektralaufnahmen in die Auswertung einbezogen, die aus der Höhe Auskunft gaben über die Intensität der Photosynthese der Bäume. Hintergrund: Kränkliche Bäume betreiben weniger Photosynthese und reflektieren Licht anders als gesunde Bäume. Aber auch die sichtbaren Struktureigenschaften der Bäume, etwa die Baumkronendichte, der Totholzanteil oder die Länge neuer Austriebe, spielten bei der Beurteilung der Vitalität der Bäume eine Rolle. Daraus werden im nächsten Schritt Maßnahmen für die richtige Pflege abgeleitet.

Baumpatenschaften über eine Online-Datenbank

Wie kann diese Pflege nun erfolgen? An diesem Punkt kommen die umweltpädagogischen Ziele, die das Projekt von Beginn an verfolgt hat, zum Tragen: Mit Unterrichtskonzepten für Schulen sowie der Veröffentlichung der Ergebnisse kann das Projekt viele Menschen für die Kulturlandschaftsform sensibilisieren. Jetzt fordert es ganz konkret zur Teilhabe auf: Ab sofort kann jede_r einzelne Bürger_in der Region über eine eigens dafür geschaffene Plattform Patenschaften für Obstbäume übernehmen und sich um deren Pflege kümmern. Der Online-Kartendienst, der die Forschungsergebnisse in Form eines internetbasierten Geographischen Informationssystems (WebGIS) für alle Interessierten zugänglich und interaktiv nutzbar macht, wurde unlängst offiziell vorgestellt. Auch Landschaftsschutzinstitutionen oder Behörden können über diese Datenbank verfügen.

Projekt fördert individuelles Engagement und Umweltbildung

Rüdiger Recknagel, Geschäftsführer der Audi Stiftung für Umwelt, unterstreicht den umfassenden Ansatz des Projekts: „Unsere Stiftungsarbeit verknüpft den Einsatz moderner Technologien mit dem Umweltschutzgedanken. Dieses Projekt kombiniert wissenschaftliches Know-how mit Aufklärungsarbeit, Umweltbildung und individuellem Engagement. Die Menschen, die hier leben, erhalten einen Wissenszuwachs durch aktive Beteiligung und einen persönlichen Gewinn durch das Ernten der Früchte der Bäume, für die sie sich als Paten engagieren. Es schafft so ein nachhaltiges Bewusstsein für Lebensraumerhaltung und Artenvielfalt.“

Projektleiter Siegmund ergänzt: „Für uns ist das Streuobstprojekt ein Modellvorhaben, bei dem sich die Potenziale moderner Geotechnologie für den Erhalt und die Vermittlung dieser einzigartigen Kulturlandschaft ideal verbinden lassen. Als UNESCO-Lehrstuhl für Erdbeobachtung und Geokommunikation konnten wir hier unsere große Erfahrung in Umweltforschung und Nachhaltigkeitskommunikation bestens einbringen.“