ALMS 2000
Das Foto-Finish in Mosport

Der sechste Lauf der American Le Mans-Serie (ALMS) im kanadischen Mosport war nichts für schwache Nerven: Wechselhaftes Wetter und insgesamt fünf Safety-Car-Phasen sorgten für eines der turbulentesten und spannendsten Rennen der Sportwagen-Geschichte, das nach 2 Stunden und 45 Minuten mit einem Fotofinish endete: Nebeneinander überquerten Rinaldo Capello im siegreichen Audi R8 und Jörg Müller (BMW) die Ziellinie. Eine halbe Wagenlänge entschied am Ende zu Gunsten von Audi.

Der knappe Zieleinlauf spiegelt allerdings nicht die wahren Kräfteverhältnisse während des Rennens wieder: Von Anfang an waren die beiden Audi R8 die schnellsten Autos auf der anspruchsvollen Strecke, die kurz nach dem Start durch starken Regen immer rutschiger wurde. Auch bei diesen schwierigen Verhältnissen konnte vor allem Allan McNish die überragenden Qualitäten des Rennsportwagens von Audi Sport in Ingolstadt unter Beweis stellen: Zeitweise fuhr der Schotte fünf Sekunden schneller als der Rest des Feldes. Eine umstrittene Stop-and-Go-Strafe und die Safety-Car-Phasen machten den von McNish herausgefahrenen Vorsprung allerdings immer wieder zunichte.

Richtig spannend wurde es nach dem Fahrerwechsel: Rinaldo Capello entschied sich trotz der nun abtrocknenden Strecke, das Rennen auf Regenreifen zu beenden. Jörg Müller im BMW wechselte dagegen auf profillose Reifen und kam in der Schlussphase mit Riesenschritten näher. In der letzten Runde konnte Müller aufschließen, den Audi aber nicht mehr überholen, obwohl die Strecke inzwischen fast völlig trocken war. „Ich habe in der letzten Runde etwas mehr riskiert und bin in den Kurven so schnell gefahren wie mit Slicks“, strahlte Capello nach dem dramatischen Zieleinlauf.

Während sich Rinaldo Capello und Allan McNish über den dritten Sieg des Audi R8 in der American Le Mans-Serie freuten, endete das turbulente Rennen für Emanuele Pirro und Frank Biela mit einer Enttäuschung: Neun Runden vor Schluss wurde Pirro, der immer näher an seinen führenden Teamkollegen heran kam, an zweiter Stelle liegend durch eine Kollision mit einem überrundeten GT-Fahrzeug aus dem Rennen gerissen. Biela/Pirro wurden noch als Sechste der Prototypen-Klasse gewertet.

In der Gesamtwertung schob sich Allan McNish mit seinem zweiten Sieg in Folge auf Rang drei nach vorne.

Stimmen nach dem Rennen

Rinaldo Capello (#77):
„Die Schlussphase war unglaublich. Als ich Jörg in der letzten Runde im Rückspiegel sah, dachte ich, er kriegt mich noch. Denn mit Slicks im Trockenen musste er einfach schneller sein. Aber ich habe alles gegeben und bin in der Zielkurve ganz innen gefahren. Ich hatte Angst, dass er mich ausbeschleunigen würde, weil er mit Slicks mehr Traktion hat. Aber es war auf seiner Seite wohl noch etwas feucht.“

Allan McNish (#77): „Das war ein nervenaufreibendes Rennen! Immer, wenn wir die Führung übernommen haben, hat eine Safety-Car-Phase unseren Vorsprung wieder zunichte gemacht. Die Sorgen, die wir uns vor dem Rennen wegen des drohenden Regens gemacht hatten, waren unnötig: Obwohl die Strecke sehr rutschig war, lag das Auto sehr ruhig - auch ohne quattro-Antrieb...“

Frank Biela (#78): „Ich hatte andere Regenreifen als Allan, die nicht funktionierten. Ich hatte überhaupt keinen Grip und selbst in höheren Gängen noch durchdrehende Räder. Dadurch haben wir viel Zeit verloren. Wäre das nicht passiert, hätte es Emanuele am Ende einfacher gehabt.“

Emanuele Pirro (#78): „Es lief richtig gut, ich konnte fast eine Runde aufholen. Wir haben im richtigen Moment auf Slicks gewechselt und hätten dieses Rennen gewinnen können. Doch dann gab es ein Missverständnis beim Überrunden. Der Unfall war kaum zu vermeiden, denn er passierte bei hoher Geschwindigkeit nach einer Kuppe. Diese Stelle kann man schlecht einsehen.“

Dr. Wolfgang Ullrich, Audi Sportchef: „Das war sicherlich eines der spannendsten Sportwagen-Rennen, das es je gegeben hat. Die Safety-Car-Phasen haben uns immer wieder Zeit gekostet, die Stop-and-Go-Strafe für Allan können wir absolut nicht nachvollziehen. Das Fahrzeug Nummer 78 war heute etwas unglücklich, sonst hätte es wieder ein Doppelsieg werden können.“

Reinhold Joest, Teamdirektor Audi Sport North America: „Das war ein Reifenpoker. Ich denke, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben, auch wenn es am Ende sehr knapp wurde. Dieses Mal hatten wir ein glücklicheres Händchen als am Nürburgring, wo die Bedingungen ähnlich waren.“

Ergebnis

1. Capello/McNish (Audi R8) 94 Runden
2. Lehto/Müller (BMW) 0,148 Sek. zur.
3. Auberlen/Gounon (BMW) 1 Rd. zur.
4. Beretta/Wendlinger (Chrysler) 3 Rd. zur.
5. Fellows/Pilgrim (Corvette) 3 Rd. zur.
6. Archer/Donohue (Chrysler) 3 Rd. zur.
7. Johansson/Smith (Reynard) 4 Rd. zur.
8. Katoh/O´Connell (Panoz) 5 Rd. zur.
9. Lambert/Pobst (Porsche) 5 Rd. zur.
10. Stuck/Said (BMW) 6 Rd. zur.
...
17. Biela/Pirro (Audi R8) 9 Rd. zur.