• In nur elf Monaten wurde die Fahrmaschine realisiert
  • Kleines Team arbeitete bei Audi unter strikter Geheimhaltung
  • Kombination aus Rennsport, Luxus, High-Tech und Design
Audi Le Mans quattro

Der Audi Le Mans quattro ist der erste seiner Art: Ein Hochleistungs-Sportwagen mit Gänsehaut-Faktor und gleichzeitig hoher Alltagstauglichkeit, eine Fahrmaschine mit Luxusambiente. Entwickelt unter strengster Geheimhaltung und nach der Audi Philosophie, dass sich ein Showcar durch Realitätsnähe und volle Funktionsfähigkeit auszeichnen muss. Realisiert in gerade einmal elf Monaten von der ersten Designskizze bis zur aufsehenerregenden Präsentation auf der IAA 2003 in Frankfurt. Ein Fahrzeugkonzept, das richtungweisend für zukünftige Entwicklungen bei Audi ist mit seiner Kombination aus leidenschaftlichem Design und der gesamten Motorsport- und Technikkompetenz der Marke. Doch wie entsteht eigentlich ein Showcar wie der Le Mans? Einblicke in ein „Making of“ der besonderen Art.

„Der Le Mans quattro ist nach dem Pikes Peak quattro und dem Nuvolari quattro das dritte Konzeptfahrzeug von Audi im Jahr 2003, das einen Einblick in unsere zukünftige Formensprache und die Modellausrichtung der Marke gibt. Es ist das Konzept eines reinrassigen Mittelmotorsportwagens, der erstmals die technischen Eigenschaften des erfolgreichen Rennwagens Audi R8 auf der Straße verfügbar macht. Die Freude ist dann natürlich doppelt groß, wenn am Ende auch neuartige High Tech-Features funktionieren und das Auto fährt“, sagt Dirk Isgen, Leiter Konzeptentwicklung Modellreihen bei der AUDI AG.

Und davon gibt es im Le Mans quattro eine ganze Menge, etwa die innovative LED-Lichtechnik, eine Rahmenstruktur aus Aluminium mit einer Außenhaut aus Kohlefaser, Kunst- und Verbundwerkstoffen, das Digital-Display im Cockpit, das V10-Biturbo-Aggregat mit 5,0 Litern Hubraum und Benzin-Direkteinspritzung FSI oder das neuartige Federungskonzept Audi magnetic ride – visionäre Technologien, die aber viel mehr sind als nur reine Zukunftsmusik, denn im Le Mans können sie bereits „erfahren“ werden.

Lediglich elf Monate dauerte es, diesen Technologieträger erster Güte auf die Räder zu stellen. Ein Zeitfenster, das für das kleine Entwicklungsteam um den Gesamtprojektleiter Bernhard Voll (Technik), Projektleiter Rüdiger Kiehn (Design), Frank Lamberty (Exterieur-Design) und Jens Sieber (Interieur-Design) Traum und Albtraum zugleich war. „Die Verantwortung für ein komplettes Fahrzeug zu übernehmen, ist ungemein reizvoll. Aber bei diesem Zeitrahmen ist der Druck, der Stress auch bedeutend größer. Das muss man mögen“, erläutert Lamberty.

Für das Projekt Le Mans quattro zeichnete ein Kernteam von acht Mitarbeitern verantwortlich, bestehend aus zwei Technikern und sechs Designern – unterstützt von zahlreichen Experten aus den unterschiedlichsten Audi Fachabteilungen. Zum Vergleich: Für ein Serienfahrzeug liegt der Entwicklungszeitraum bei 36 Monaten – mit den entsprechenden Personal-kapazitäten eines großen Konzerns. Für den Le Mans hatten die Designer und Konstrukteure also nicht einmal ein Drittel dieser Zeit zur Verfügung. Sieber: „Man erlebt den Entstehungsprozess eines Fahrzeugs im Zeitraffer.“

Bernhard Voll erinnert aber auch daran, dass nur mit einer derart kleinen und effizient arbeitenden Mannschaft die zeitliche Vorgabe gehalten werden konnte: „Wir hatten schnelle Entscheidungswege, da wir alle in einem Raum zusammen arbeiteten, jedes Teammitglied permanent verfügbar war und die Hierarchien flach waren.“ Und Design-Kollege Lamberty ergänzt: „Aufgrund des enormen Zeitdrucks waren auch die Zwänge viel größer, schnelle Entscheidungen zu treffen. Man kommt so schneller zu greifbaren Ergebnissen.“

Dieser Zeitdruck begann mit der Entscheidung des Audi Vorstands im Oktober 2002, den Le Mans Wirklichkeit werden zu lassen. Ein Team stellte gerade den Pikes Peak für die Motorshow Detroit auf die Beine, ein zweites arbeitete am GT Nuvolari für den Genfer Salon. „Entwerft einen Supersportwagen mit Mittelmotor“, lautete der Auftrag des Vorstands an Konzept-Entwicklung und Design – interner Projektname: F03. Dieser Entwicklungscode steht für Frankfurt 2003 – das Konzeptauto für die IAA also. Die beiden Vorgänger trugen entsprechend die Bezeichnungen U03 (für USA) und G03 (für Genf).

„Von Anfang an“, so der technische Projektleiter Voll, „stand fest, dass es ein alltagstauglicher Hochleistungs-Sportwagen werden soll.“ Eine Fahrmaschine, die gleichzeitig keine Abstriche bei Komfort und Benutzerfreundlichkeit macht. Lamberty formuliert es so: „Mit dem Le Mans quattro kann man Rekordrunden auf der Rennstrecke ebenso fahren, wie problemlos vor dem Friseursalon ein-parken. Das machte die ganze Sache für uns ja auch zu einer Herausforderung.“

An einem sogenannten Image-Board wurde das „Gesicht“ des Le Mans kreiert. Attribute wie Rennsport, Luxus, High Tech, Design oder Alltagstauglichkeit, aber auch die Zielgruppe, die Lebenswelt des Fahrers oder die historische Referenz an die Auto Union-Rennwagen wurden auf dieser Tafel in Form assoziativer Fotomotive dargestellt und festgelegt.

Nach Strategiegesprächen mit Dr. Martin Winterkorn, Vorstandvorsitzender und Vorstand Technische Entwicklung bei Audi, erfolgten bereits im Oktober 2002 die ersten Präsentation mit Zeichnungen und Skizzen beim Audi Vorstand – die Basis des Fahrzeugs, das Package, war festgelegt. Dabei standen die Gestalter von Audi Design am Konzernstammsitz in Ingolstadt und aus dem Audi Designstudio in München im kreativen Wettbewerb. Lamberty: „Dieser Wettbewerb war für alle Beteiligten sehr hart. Fünf Teams reichten ihre Entwürfe ein, einer blieb übrig. Die, die sich nicht durchsetzen konnten, wurden allerdings dann ins Entwicklungsteam geholt.“

Mit der technischen Grundlage und der Positionierung als Vorgabe galt es nun, „das Auto lecker zu gestalten“ (Lamberty). Mitte November waren noch drei verschiedene Exterieur-Varianten im Rennen, beim Interieur hatte man sich bereits auf ein Erscheinungsbild geeinigt. Zwei Wochen lang wurden daraufhin gigantische CAD (Computer Aided Development)-Datensätze erstellt und in die Hochleistungsrechner eingegeben.

Im Dezember 2002 wurden im Virtual Reality (VR)-Center in Ingolstadt diese ersten animierten Le Mans quattro-Visionen auf die sechs Meter breite und 2,25 Meter hohe „Powerwall“ projiziert. Der Le Mans quattro nahm in der virtuellen Welt Gestalt an. Aus den CAD-Daten der noch verbliebenen drei Exterieur-Varianten wurden 1:4-Tonmodelle gefräst, die dem Vorstand kurz vor Weihnachten präsentiert wurden. Die Wahl fiel auf die sportlichste Ausprägung.

Mit von der Partie waren dabei übrigens auch die Konstrukteure von Audi Sport, die das Projekt mit ihrem Know-how aus dem Rennsport unterstützten. Eingebunden waren zudem Kollegen aus dem Windkanal-Zentrum in Ingolstadt, aus dem Aluminium-Zentrum und der Motorenentwicklung in Neckarsulm sowie von Lamborghini und Cosworth Technology.

Das Fahrzeug selber wurde aus Geheimhaltungsgründen übrigens nicht im Werk Ingolstadt aufgebaut, sondern bei einem externen Modellbau-Partner von Audi ganz in der Nähe von Ingolstadt. Wie überhaupt das Thema Geheimhaltung elementarer Bestandteil bei der Entstehung des F03 war. Alle Teammitglieder unterzeichneten für das Projekt eine separate Geheimhaltungserklärung. Selbst gegenüber ihren Familien, Partnern und langjährigen Kollegen waren die beteiligten Mitarbeiter zu Stillschweigen verpflichtet. Auf diese Weise war über das Projekt auch innerhalb des Konzerns nur ein sehr kleiner Kreis informiert.

Nahezu jedes Teil des Le Mans quattro wurde in kosten- und zeitintensiver Handarbeit gefertigt. „Jeder Schalter, jede Felge: Alles musste eigens aus Aluminiumblöcken gefräst werden“, nennt Rüdiger Kiehn Beispiele. Kaum ein Stück, das dem herkömmlichen Teilesortiment für die Serienmodelle entnommen werden konnte. Fast jedes Le Mans quattro-Teil ist, wie das Auto selbst auch, ein Unikat.

Kiehn: „Bei einem Conceptcar muss man kaum Rücksicht auf vorhandene Teile nehmen. So ein Einzelstück zu entwickeln ist etwas ganz anderes als eine Serienentwicklung.“ Die Aufgabe der Designer ist dabei, ein solches Projekt an seine Grenzen zu führen. Die der Techniker, es trotz allem auch realitätsnah und fahrtauglich zu gestalten. Dass dabei auch unterschiedliche Ansichten aufeinanderprallten, liegt auf der Hand. Interieur-Designer Sieber: „Natürlich haben wir mitunter um Inhalte gestritten.“

Gleichzeitig heben Designer und Techniker nicht nur die konstruktive und effiziente Zusammenarbeit, sondern auch die trotz allen Drucks ausgesprochen gute, mitunter fast familiäre Atmosphäre im Team hervor. „Die Vertrauensbasis und die Motivation waren unheimlich groß. Sonst hätten wir das auch gar nicht schaffen können“, so Voll. Vereint waren alle im kollektiven Zeitdruck. Voll formuliert es anschaulich: „Da haben wir um jede Stunde gefeilscht.“ Im Zweischicht-Betrieb ging die kleine Mannschaft die Realisierung des Le Mans quattro an. Alle vier Wochen wurden die neuesten Ergebnisse dem Vorstand präsentiert. Nicht selten überzeugte der sich auch mal spontan vom erfolgreichen Fortgang des Projektes.

Das ständige Verändern von Formen und Funktionen ging bis April 2003, dann erfolgte der sogenannte Design-Freeze, also der Zeitpunkt, an dem die Formen des Le Mans quattro endgültig festgelegt, „eingefroren“ wurden und nicht mehr geändert werden durften. Das Modell wurde gescannt und digitalisiert. Anhand dieser Daten wurde nun damit begonnen, die fahrtüchtige Hardware des Mittel-motor-Sportwagens zu realisieren.

Zu diesem Zeitpunkt war bereits der Alu-Space Frame aufgebaut (Januar) sowie Motor, Fahrwerk und Elektronik eingebaut (Ende Februar). Es folgten die Außenhaut, Einbau Interieur, Lackierung und vieles mehr. Immer wieder gab es dabei auch Momente, so Kiehn, „in denen wir dachten: Wir schaffen es nicht.“ Schließlich rückte der IAA-Termin unaufhaltsam näher. Doch während sich der Start einer Produktion schonmal verschieben lässt, gilt das für die größte Automobilmesse der Welt natürlich nicht.

Schließlich wurde der Le Mans quattro in lediglich drei Tagen einmal komplett aufgebaut und montiert, um für einige Zeit bei Foto- und Filmshootings in München sowie auf dem Audi Testgelände in Neustadt ins rechte Licht gerückt zu werden. Lamberty erinnert: „Das Gefühl war phantastisch, als der Wagen am 9. August um 5 Uhr morgens – die Sonne ging gerade auf – in Neustadt aus dem Transporter gefahren wurde und dann zum ersten Mal aus eigener Kraft über die Teststrecke fuhr.“ Erst wenige Tage vor Messestart erhielt das Projektteam den Le Mans zurück, um weiter daran zu arbeiten.

Am 8. September hat es das Projektteam F 03 geschafft: Vollzählig sind sie in Frankfurt angereist, um die Präsentation des Le Mans quattro mitzuerleben. Und die ist nahezu ebenso spektakulär wie das Auto selbst. Als der Audi Vorstands-chef mit dem Sportwagen vor einer, eigens für diesen Anlass auf einer abgesper-rten Straße in Frankfurt aufgebauten Rennstrecken-Tribüne vorfährt und das Blitzlichtgewitter losbricht, ist dies der Lohn für elf Monate harter Arbeit.

 

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