Der nächste Schritt: 3D‑Druck mit Metallpulver

3D‑Drucker, die Objekte aus pulverförmigem Kunststoff herstellen, haben sich heute fest etabliert. Ihre nächste Evolutionsstufe sind 3D‑Metalldrucker. Diese hat Audi im neu gegründeten Metall‑3D‑Druck‑Zentrum der Audi‑Produktion installiert. Sie fertigen im Laserschmelzverfahren Stahl‑ und Aluminiumteile aus Metallpulver. Das Verfahren findet heute Anwendung in Serienwerkzeugen. In den nächsten Jahren könnten auch Fahrzeugkomponenten für die Kleinserie auf diese Weise gefertigt werden.

Für den 3D‑Druck eignen sich grundsätzlich alle Materialien, die sich schweißen lassen – Werkzeugstahl ebenso wie Aluminium oder Titan. Als Ausgangsbasis dient Metallpulver mit einer Korngröße von 15 bis 40 tausendstel Millimeter, etwa so „dick“ wie ein menschliches Haar. Der Drucker trägt das Pulver in kleinen Schichten auf, der Laser schmilzt es daraufhin gemäß den CAD‑Daten auf und erzeugt damit die Kontur des Bauteils. Per 3D‑Metalldruck – auf Englisch: SLM, selective laser melting – lassen sich Objekte mit freien, hochkomplexen Geometrien herstellen, die mit anderen Methoden gar nicht oder nur sehr schwierig zu fertigen wären.

Im neu gegründeten Metall‑3D‑Druck‑Zentrum, das im Audi‑Werkzeugbau in Ingolstadt angesiedelt ist, schafft Audi wertvolle Synergien: Dort arbeiten die Spezialisten aus dem Werkzeugbau und aus dem Gießerei‑Technikum der Produktionsplanung jetzt eng zusammen.

In Kooperation mit der Technischen Entwicklung fertigen sie mit ihren drei Metalldruckern Stahl‑ und Aluminiumteile für die Erprobung in Motoren und Fahrwerken.

Vor der Gründung des Metall‑3D‑Druck‑Zentrums waren die Aufgaben spezieller verteilt: Die Stahldrucker im Werkzeugbau produzierten vor allem Einzelteile für Presswerkzeuge – etwa Schneideinsätze und Messer oder auch Komponenten mit integrierten Kühlschlangen und ‑netzen. Diese steigern in den Großwerkzeugen die Kühlleistung, was wiederum beispielsweise den Gieß‑ oder Umformvorgang beschleunigt.

Beim 3D‑Metalldruck im Gießerei‑Technikum ging es vor allem darum, den Werkstoff „gedrucktes Aluminium“ und seine Fertigungstechnologie besser kennenzulernen. Es entstanden unterschiedliche Automobilbauteile: etwa Space‑Frame‑Komponenten, die Flüssigkeitsbehälter integrieren, bis hin zu ersten Fahrwerksbauteilen.

Die Analysen und Prüfstandtests, die Audi bislang unternommen hat, bestätigen das Potenzial: Gedruckte Aluminiumkomponenten weisen bessere Kennwerte auf als entsprechende Strukturgussteile. Bei der Zugfestigkeit erreichen sie mit 400 Millionen Pascal doppelt so hohe Werte, zudem bieten sie beim Gewicht weitere Einsparpotenziale. Für gedruckte Stahlbauteile gilt Ähnliches, sie erreichen eine Zugfestigkeit von mehr als 1.000 Millionen Pascal.

Ein besonders eindrucksvolles Ergebnis des 3D‑Metalldrucks ist im Foyer des Werkzeugbau‑Gebäudes im Audi‑Werk Ingolstadt ausgestellt: ein Modell des legendären Auto‑Union‑Rennwagens Typ C in halber Originalgröße. Sein Rahmen und die Außenhaut sind aus Aluminium gedruckt, die Armaturen aus Werkzeugstahl. Audi will mit der neuen Technologie hoch hinaus – und zwar bis zum Mond: mit dem selbstfahrenden Erkundungs‑Rover Audi lunar quattro. Dieser besteht zu mehr als 85 Prozent aus gedrucktem Aluminium. Im Rahmen des Google Lunar XPRIZE möchte die Berliner Ingenieurgruppe „Part‑Time Scientists“ den Rover mit der Unterstützung von Audi bis Ende 2017 per Trägerrakete auf den Mond bringen.

Heute ist der 3D‑Druck noch sehr teuer, räumlich limitiert und vor allem langsam. Die größte der drei Anlagen im Metall‑3D‑Druck‑Zentrum von Audi kann Objekte bis 400 Millimeter Kantenlänge drucken, die beiden kleineren kommen auf 290 bzw. 280 Millimeter Länge. Ein etwa ein Kilogramm schweres Metallrohr beansprucht dabei rund einen Tag reine Fertigungszeit – hinzu kommen der Aufwand für Programmierung, Umrüstung und Vorbereitung des Druckers sowie die Nacharbeit am fertigen Objekt, das auf eine Stützstruktur gedruckt wird.

Der Serieneinsatz des Verfahrens wird nach Einschätzung von Audi mit einem großen Sprung in der Metalldrucktechnologie möglich werden. Wenn es so weit ist, ist die Marke ganz vorn dabei.


Schnelle Hilfe vom Spezialisten: das Fernwartungsportal

Eine technische Anlage in der Audi‑Produktion wird mit höchster Präzision geplant, aufgebaut und gesteuert – dennoch kann sie aufgrund ihrer extremen Komplexität nie 100‑prozentig vor Störungen sicher sein. In einer solchen Situation kommt der Bereich „Anlagen‑ und Vorrichtungsbau“ (AVB) des Audi‑Werkzeugbaus ins Spiel. Mit seinem Fernwartungsportal dient er als zentrale Support‑Drehscheibe und sorgt so für einheitliche Standards in allen Audi‑Werken, weltweit. Das Fernwartungsportal, das 2008 gestartet ist, steht rund um die Uhr zur Verfügung.

Das Fernwartungsportal des Audi‑Werkzeugbaus betreut die Karosseriebau‑Anlagen an fünf Standorten. Darüber hinaus bietet es Zugriff auf acht weitere Anlagen – etwa im Werkzeugbau und in der Technischen Entwicklung in Ingolstadt, in der Logistik im Güterverkehrszentrum Ingolstadt, in der Lackiererei am Standort Neckarsulm, in der

Technischen Entwicklung in Wolfsburg sowie in der CFK‑Produktion von Lamborghini. Neben insgesamt 13 laufenden Projekten gibt es derzeit 17 neue Anfragen. Die Jahresbilanz 2015 zählt rund 1.600 Einsätze der Fernwartungsexperten, bei denen sie zirka 1.500 Stunden auf Anlagen weltweit geschaltet waren.

Falls ein Anlagenbetreiber – zum Beispiel in Bratislava oder im jüngsten Audi‑Werk in San José Chiapa/Mexiko – eine Störung erkennt, die sich mit eigenen Mitteln nicht beheben lässt, kann er beim Fernwartungsportal Unterstützung anfordern. Der Server ermittelt den externen Spezialisten, dessen Technologie betroffen ist, und leitet den Hilferuf an ihn weiter. Seine Mitarbeiter lassen sich dann per sicherer Verbindung in das geschützte Audi‑Produktionsnetzwerk einwählen und auf die Anlage schalten – stets in dem begrenzten Teilbereich, der für sie freigegeben ist.

Die externen Supporter können sich so den Kontrollmonitor der betroffenen Einheit auf den eigenen Bildschirm holen und aktiv in die Steuerung eingreifen, sofern es der Betreiber vor Ort wünscht. Sie können Updates und Back‑ups aufspielen oder sogar die gesamte Steuerung über geschlossene VPN‑Netzwerke („Tunneldienste“) umprogrammieren. Noch innovativer ist der Video‑Support im neuen sogenannten Konferenzcenter: Dort laufen Pilotversuche, bei denen Kameras, Tablets und Datenbrillen unterstützende Bilder und Pläne übertragen.

Über das klassische Beheben einer Störung hinaus bietet das Fernwartungsportal weitere Möglichkeiten: Manche Dienstleister nutzen es etwa, um den Anlauf ihrer Anlagen zu überwachen. Gerade in den Inbetriebnahmephasen, die immer schneller ablaufen, spielt die Fernwartung ihre Stärken voll aus: Sie spart in hohem Maße Zeit, Kosten und CO2, weil weniger Reisen nötig sind. Weitere Aufgabenfelder sind die Qualifizierung von Komponenten und Mitarbeitern – hierfür hat das Fernwartungsportal 2016 den unternehmensinternen „Audi Bildungsaward“ und den „Education Award“ der Volkswagen Group Academy gewonnen.

Audi plant bereits die nächsten Schritte – das Ziel: zu erkennen, wie sich Anlagen verändern, und dadurch eine präventive Wartung zu ermöglichen. Wenn sich beispielsweise die Schweißzangen eines Karosseriebau‑Roboters der Verschleißgrenze nähern, geht die Qualität der Schweißpunkte zurück, zudem dauert jede Schweißung länger. Eine präventive Wartung aus der Ferne – sogenanntes Remote Monitoring – kann beiden Problemen vorbeugen. Auch hier will Audi mit seinem Fernwartungsportal einen neuen Standard schaffen.


Toppräzision im engen Prozessfenster: Smart Analytics im Presswerk

Anspruchsvolles Design, konsequenter Leichtbau und intelligente Funktionen – bei der Herstellung von Blechteilen müssen die Presswerke von Audi extrem hohe Anforderungen erfüllen. Um den steigenden Qualitätsansprüchen in Zukunft gerecht zu werden, setzt die Marke modernste Messtechnologien ein und entwickelt eine ganzheitliche Datenerfassung – damit werden die Presswerke ein Teil der Smart Factory.

Im Kompetenzcenter Anlagen‑ und Umformtechnik, das die Gewerke Presswerk und Werkzeugbau zusammenfasst, entstehen an den insgesamt vier Audi‑Presswerken weltweit täglich rund 750.000 Teile. Im Presswerk nimmt der Bau jedes Autos seinen Anfang, dort treffen immense Kräfte und hochkomplexe Funktionen aufeinander.

Ein Paradebeispiel dafür ist die Pressenstraße 14 im Presswerk Ingolstadt‑Nord. Die 75 Meter lange Großraum‑Saugerpresse formt dort mit bis zu 15 Hüben und mehr als 7.300 Tonnen Schließkraft aus planen Platinen dreidimensionale Blechteile. Ein Seitenwandrahmen weist beispielsweise im Bereich der Türausschnitte etwa 30 Zentimeter Tiefe auf. Mit seinen scharfen Kanten, aufwendigen Geometrien, gleichmäßigen Radien und einer Oberflächenpräzision, die nur wenige Hundertstel Millimeter Toleranz erlaubt, steht er exemplarisch für die hohe Audi‑Qualität.

Die Prozessfenster, in denen die Presswerke arbeiten, sind dabei sehr klein – und sie werden künftig noch enger. Deshalb hat Audi seine Presswerke mit aufwendigen Messtechnologien ausgerüstet.

Die erste Messstation ist an der Bandschneideanlage installiert. Dort werden die Platinen aus den Coils geschnitten. Coils sind aufgerollte Metallbänder von zwei bis drei Kilometer Länge und 25 bis 30 Tonnen Gewicht. Keines ist dabei völlig homogen, denn der Herstellungsprozess beim Lieferanten unterliegt Schwankungen; unterschiedliche Dicken, Dehngrade oder auch Einschlüsse können die Zugfestigkeit beeinflussen. Bei der Wirbelstromprüfung in der Bandschneideanlage tastet ein Sensor die Platine ab; dafür dringt sein Magnetfeld in die Oberfläche ein. Falls Strukturunterschiede existieren, verändern sich die Ströme, was eine Empfängerspule registriert.

In der Bandschneideanlage wird als Nächstes die Schmierstoffschicht voll automatisiert erfasst. Das wirkt sich auf das Verhalten des Materials beim Umformen aus. Diese dritte Kontrollstufe ist die sogenannte optische Risserkennung durch Kameras. Die Kameras sind extrem robust ausgelegt und an unterschiedlichen Orten eingebaut – etwa am Abfallschacht der ersten Umformstufe oder an der Teilablage in der sechsten Stufe, die bei vielen Blechteilen nicht benötigt wird und daher leer bleibt. In anderen Fällen sitzen die Kameras im sogenannten Feeder, einem System aus Antrieben und Sauggreifern, das die Teile in die jeweils nächste Stufe transportiert. Die Kameras überwachen alle Umformprozesse, bei denen die Bleche stark tiefgezogen werden – vom Türinnenteil über den Seitenwandrahmen bis zur Reserveradmulde. Es sind jene Bereiche, in denen Bleche zur Rissbildung neigen. Falls die Kameras einen Fehler erkennen, erklingt ein Warnton. Im Bandauslauf wird das fehlerhafte Teil daraufhin angestrahlt, sodass es die Mitarbeiter sofort erkennen und aussortieren können.

Ergänzend zur optischen Risserkennung nutzt Audi in einigen Pressen die akustische Resonanzanalyse. Hier schlägt ein Klöppel das Blech an; das Frequenzbild, das dabei entsteht, wird sodann mit dem Normmuster abgeglichen.

Die intelligenten Werkzeuge (IWZ), die Audi heute in seinen Presswerken weltweit einsetzt, integrieren eigene Überwachungs‑ und Regelungseinheiten: Laser beobachten den sogenannten Flanscheinzug beim Tiefziehen und generieren zahlreiche Daten. Wenn der Rechner Abweichungen vom Sollwert erkennt, regelt er die Klemmkraft im Werkzeug mittels aktiver Ziehhilfen im Werkzeug nach.

Die IWZ‑Technologie ist ein wichtiger Schritt hin zur ganzheitlichen Vernetzung, die Audi im Kompetenzcenter Anlagen‑ und Umformtechnik anstrebt. Unter dem Schlagwort „Smart Analytics“ arbeiten die Spezialisten daran, alle Daten von Blechteil, Werkzeug und Presse in einen zentralen Datenspeicher („Data Lake“) zusammenzuführen. In der ersten Stufe stehen die Erkenntnisse aus der optischen Risserkennung und den intelligenten Werkzeugen im Fokus. Das Ziel: für jedes Blechteil – ob Tunnelverstärkung oder Dachhaut – eine lückenlose Dokumentation anzulegen, die alle wichtigen Eigenschaften beinhaltet. Die ganzheitlich gesammelten Informationen werden danach mit dem Bauteil an das nächste Gewerk, den Karosseriebau, weitergegeben.

Schon heute versehen die Audi‑Pressen alle zu fertigenden Teile selbsttätig mit einem Prägestempel. Künftig will das Unternehmen seine Stahl‑ und Aluminiumlieferanten bei der Qualitätsverfolgung mehr in die Pflicht nehmen, schließlich kennen diese die Fertigungsdaten ihrer Coils bis ins kleinste Detail. Würden sie den Coils beispielsweise Codes aufdrucken, ließe sich die Arbeitsweise der Presse noch exakter auf die Blecheigenschaften hin optimieren. Darüber hinaus existieren vielfältige weitere Möglichkeiten zur optimalen Parametrierung – von den Drücken der Verdrängerzylinder bis hin zur zusätzlichen Sprühbeölung.

Im Kompetenzcenter Anlagen‑ und Umformtechnik laufen viele Projekte zusammen, deren Daten in einen gemeinsamen „Data Lake“ für holistische (ganzheitliche) Datenanalysen fließen. Alle verfolgen sie ein Ziel: noch stabilere Prozesse und noch höhere Präzision.


Leichter, steifer, präziser: die neue Werkzeuggeneration

Pressen gehören zu den schwersten Komponenten in der Audi‑Produktion – sie wiegen bis zu 45 Tonnen. Jetzt setzen ihre Entwickler auf neue Leichtbaumethoden: Das Design der gusseisernen Gehäuse folgt nun bionischen Prinzipien, bei den Einbauteilen kommen Aluminium und Kunststoff zum Zug. Im Ergebnis sinkt das Gewicht um bis zu 20 Prozent, der Energieaufwand geht um etwa zehn Prozent zurück.

„Das richtige Material in der richtigen Menge am richtigen Ort“ – dieser Grundsatz gilt schon seit vielen Jahren für die Autos und speziell für die Karosserien von Audi. Er hat die Marke mit den Vier Ringen zum weltweiten Leichtbaupionier gemacht. Im neuen Hochleistungssportwagen Audi R8 etwa besteht die Karosserie aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) und Aluminium; der sogenannte Audi Space Frame (ASF) bildet ein Fachwerk, das von Blechen kraftschlüssig ausgesteift wird. Geometrischer, werkstofflicher und funktioneller Leichtbau spielen hier perfekt zusammen.

Bei einem konventionellen Presswerkzeug hingegen ist die tragende Struktur stets konservativ aufgebaut: Zwischen der Boden‑ und der Deckplatte des Unterteils stehen und liegen massive Streben, die sich im rechten Winkel kreuzen. Ihr Design passt sich bestmöglich an die speziellen Belastungen an, die in der Presse auf das Werkzeug einwirken. Die aufrecht stehenden Rippen versteifen es dort, wo es die höchsten Kräfte aufnehmen muss. Diese können beim Tiefziehen, der ersten Umformstufe, bis zu 20.000 Kilonewton (mehr als 2.000 Tonnen) betragen.

Audi hat die Entwicklung der neuen Werkzeuggeneration vor fünf Jahren gestartet. Im ersten Schritt ersetzten die Konstrukteure die rechtwinkligen Streben im Unterteil der Großwerkzeuge, die bis zu fünf Meter lang und 2,5 Meter breit sind, durch bogenförmige Strukturen. Im zweiten Schritt konzipierten sie freie Formen, die an Geometrien aus der Natur erinnern, etwa Blätter oder Skelettknochen. Manche Streben verlaufen gekrümmt, andere ändern über ihre Länge mehrmals ihr Profil. Im Schnitt sind die neuen Werkzeuge dadurch rund zehn Prozent steifer als konventionelle Werkzeuge.

Bei der Konstruktion der Presswerkzeuge, die mit ähnlichen Tools und Methoden erfolgt wie die Karosserieentwicklung, gelten höchste Anforderungen. Die Topologie muss so gewählt sein, dass sie die Steifigkeit im richtigen Bereich garantiert, ohne sich negativ auf benachbarte Zonen auszuwirken. Die Tragstruktur muss mit den Einbauteilen ebenso präzise zusammenspielen wie mit der Presse. Hier hilft das reduzierte Gewicht: Ein leichteres Werkzeug senkt die Massendynamik, dadurch werden Impulse und Schwingungen geringer und die Präzision steigt. Schon hundertstel Millimeter entscheiden über die Qualität eines Blechteils.

Das neue Leichtbauprinzip gilt auch für die Einbauteile in den Werkzeugen, die den Blechplatinen ihre komplexen Formen verleihen. Schieberantriebe, Hebel und Verlängerungen, die die vertikalen Kräfte der Presse gezielt umlenken, bestehen ab sofort immer häufiger nicht mehr aus Stahl, sondern aus Aluminium oder einer Hybridkonstruktion. Ein solcher Schieberarm wiegt nur noch 550 statt zuvor 900 Kilogramm, er läuft leicht und spart in hohem Maße Energie.

Bei Werkzeugkomponenten mit hohen, wiederkehrenden Aufwärts‑ und Abwärtsbeschleunigungen ist eine Reduktion der Masse durch den Einsatz von leichten Werkstoffen besonders zielführend. Bei Werkzeugen beispielsweise für Türinnenteile beträgt der Gewichtsvorteil so bis zu 2,5 Tonnen. Nach und nach ziehen jetzt zudem Teile aus dem Metalldrucker in die Werkzeuge ein, etwa strukturoptimierte Schneidmesser mit integrierten Funktionen. Diese wären auf andere Weise kaum herzustellen – eine neue Spielart des funktionellen Leichtbaus.

Die ersten Werkzeuge der neuen Generation kamen im Jahr 2013 bei Audi zum Einsatz, seitdem hat die Marke sie Schritt für Schritt weiterentwickelt. Heute gibt es sie in fast allen Audi‑Presswerken – in Ingolstadt, Neckarsulm, Győr, Bratislava und San José Chiapa. In der Audi A4‑Familie dienen sie zum Pressen von Türen, Dächern, Seitenteilen und Motorhauben.

Die neue Werkzeuggeneration ist im Schnitt um 20 Prozent, in Einzelfällen sogar um 40 Prozent leichter als ihre konventionellen Vorgänger. Ohne Einbußen bei der Qualität erlauben sie es dadurch, die Zahl der Hübe in der Presse, die zwischen neun und 18 pro Minute liegt, um einen bis zwei Hübe zu steigern. Unterm Strich beanspruchen sie etwa zehn Prozent weniger Energie – beim Pressen und auf den Transportwegen, die sie beim Werkzeugwechsel zurücklegen. Die Spezialisten von Audi schätzen, dass sich der CO2‑Ausstoß mit jedem neuen Werkzeug durchschnittlich um mindestens zehn Prozent verringern lässt, eine Lebensdauer von sieben Jahren vorausgesetzt.

Darüber hinaus verschleißen die neuen Werkzeuge langsamer und sind dank ihrer höheren Präzision schneller eingearbeitet. Zwischen den ersten Konzepten und der Übergabe der Presswerkzeuge an das Presswerk liegen etwa zwei Jahre. Kompromisslos hohe Qualität bleibt bei Audi die oberste Maxime.


Karosseriecheck am Datenmodell: die virtuelle Fügeanalyse

Schmale, parallele Spaltmaße, hochpräzise Oberflächen und exakt verlaufende Fugen – jeder Audi dokumentiert das hohe Qualitätsniveau der Marke. Schon lange vor dem Produktionsstart finden die Bauteile einer Audi‑Karosserie zum ersten Mal zusammen – als Datensätze am Rechner im Ingolstädter Werkzeugbau.

Der Audi‑Werkzeugbau trägt für die Präzision der Blechteile Verantwortung. Als strategischer Systemlieferant für Betriebsmittel deckt er die komplette Kette ihrer Herstellung ab, beginnend mit den CAD‑Daten aus der Technischen Entwicklung. Entsprechend breit ist das Gewerk in der Mess‑ und Analysetechnik aufgestellt: Es verfügt an den Standorten Ingolstadt, Neckarsulm, Barcelona, Győr, Bratislava, San José Chiapa, Changchun und Foshan über fortschrittlichste optische Messtechnik.

Mit dieser 3D‑Scan‑Technik können die Mitarbeiter alle wichtigen Bauteile – die Rohkarosserie, die Türen, die Klappen, die Außenhaut‑ und Anbauteile – aus praktisch jedem Blickwinkel betrachten. Innerhalb von ein bis zwei Sekunden erfassen sie dabei bis zu 16 Millionen Messpunkte; die hochauflösende Punktewolke beschreibt die Oberfläche des Bauteils exakt. Dank der präzisen, vielseitig nutzbaren Daten ist die optische Messtechnik gegenüber dem taktilen (berührenden) Verfahren hinsichtlich der virtuellen Analysemöglichkeiten flexibler.

Bei der virtuellen Fügeanalyse in Ingolstadt setzen Spezialisten die Teil-Datensätze, die sie aus den Werken erhalten, am Rechner zu einer fertigen virtuellen Karosserie zusammen. Ein Datensatz hat bis zu 120 Gigabyte Umfang. Als Arbeitsgrundlage dient das Referenzpunkt-system (RPS) von Audi, der Zusammenbau am Rechner schließt manuelle Fügefehler aus. Bei der Auswertung – dem Abgleich von Ist‑ und Sollwerten – zeigt die Software ein prägnantes Bild. Grün dargestellte Zonen sind exakt in Ordnung, in den blauen Bereichen bleibt die Oberfläche minimal unter dem Datenmodell und in den roten leicht darüber.

Die Ansprüche bei Audi sind hoch. Die Präzision der Marke spiegelt sich in der Maßhaltigkeit der Bleche wider, wo die Toleranzen nur sehr wenige Zehntelmillimeter betragen dürfen. Ein Beispiel dafür ist die Nullfuge zwischen Dach und Seitenwand, sie kommt ohne Abdeckleiste aus. Ein zweites Beispiel sind die exakt parallelen Fugenverläufe.

Wenn der Kunde in das Auto eingestiegen ist, wirken sich diese Präzision und das exakte Packmaß der Türdichtungen stark auf das Schließen der Tür und die Aeroakustik beim Fahren aus. Ein klassischer Hotspot bei jeder Karosserie ist der Knotenpunkt A‑Säule/Kotflügel/Tür/Motorhaube – dort müssen alle Linien exakt verlaufen. In manchen Audi‑Baureihen, etwa beim neuen Audi A5, haben Karosserien mit unterschiedlichen Seitenwandrahmen jedoch identische Türen. Ihr exaktes Zusammenspiel bei Umriss, Bündigkeit und Fugenmaß erfordert hohes Know‑how.

Die Erfassung der Karosseriedaten beginnt im Entwicklungsprozess eines Autos mit den ersten Prototypen, gut zwei Jahre vor Produktionsanlauf; sie führt häufig zu fertigungsoptimierten Anpassungen an den Werkzeugen.

Vor zwei Jahren im Audi‑Werkzeugbau standortübergreifend eingeführt, hat sich die virtuelle Fügeanalyse auf Anhieb etabliert – auch, weil sie um ein Vielfaches schneller abläuft als der manuelle Abgleich am physischen Objekt. Wenn es an unterschiedlichen Standorten gefertigte Bauteile sowie Karosserien zu beurteilen gilt, erspart sie den Ingolstädter Experten außerdem zahlreiche Flüge – damit vermeidet die virtuelle Fügeanalyse erhebliche Mengen CO2.