1980 hat Audi den permanenten Allradantrieb quattro in Serie gebracht – der Start einer großen Erfolgsgeschichte. Heute ist die Marke mit den Vier Ringen der weltweit führende Hersteller von Personenwagen mit permanentem Allradantrieb im Premium-Segment. Aktuell führt Audi vier unterschiedliche quattro-Technologien im Portfolio – für jedes Fahrzeugkonzept die ideale Lösung.

Das Kegelrad-Mittendifferenzial
Die überlegene Traktion des Militärgeländewagens Iltis bei winterlichen Testfahrten 1977 gab den Anstoß für die Entwicklung des permanenten Allradantriebs quattro. Über mehrere Entwicklungsschritte hinweg konzipierte ein kleines Team unter der Obhut von Entwicklungsvorstand Dr. Ferdinand Piëch ein schlankes, 2+2-sitziges Coupé, das als Homologationsbasis für den Einstieg in die Rallye-WM dienen sollte.

Der Audi quattro gab sein Debüt im Frühjahr 1980 auf dem Automobilsalon in Genf – er war ein Paukenschlag. Sein permanenter Allradantrieb war leicht, kompakt und schnelllaufend, also auch für hohe Geschwindigkeiten geeignet.

Das quattro-Prinzip kam, wie auch die Iltis-Technik, ohne das schwere separate Verteilergetriebe und die gewichtige Nebenwelle zur Vorderachse aus, die zu jener Zeit Standard waren. Es war der erste großserientaugliche permanente Allradantrieb für sportliche, schnelle Autos.

Der Geniestreich des quattro-Prinzips von Audi war eine 263 Millimeter lange, hohl gebohrte Welle im Getriebe. Über sie floss die Kraft in zwei Richtungen. Von ihrem hinteren Ende aus trieb die Hohlwelle das Gehäuse des direkt ange­flanschten Mittendifferenzials an. In klassischer Kegelrad-Bauweise konzipiert, sandte es in jeder Fahrsituation 50 Prozent der Momente über die Kardanwelle an die Hinterachse. Die andere Hälfte der Kraft floss über eine Abtriebswelle, die in der Hohlwelle rotierte, zum Differenzial der Vorderachse.

Das Kegelrad-Mittendifferenzial eliminierte die Verspannungen im Antriebsstrang – sie entstehen dadurch, dass die vorderen Räder bei Kurvenfahrt einen etwas größeren Weg zurücklegen als die hinteren. Das Differenzial ermöglichte es ihnen, sich schneller zu drehen. Auf rutschigem Untergrund wies es indes ein gewisses Handicap auf: Die übertragbare Antriebskraft wurde durch die Achse mit der geringeren Traktion limitiert. Um Abhilfe zu schaffen, konnte der Fahrer des Audi quattro sowohl das Mitten- als auch das Hinterachsdifferenzial manuell sperren.

Das Torsen-Differenzial
Mit dem Debüt des Audi 80 quattro im Herbst 1986 führte Audi ein neues Mittendifferenzial ein – ein weiterhin rein mecha­nisch arbeitendes, aber höchst vielseitiges Bauteil. Seine Bezeichnung Torsen setzte sich aus den englischen Wörtern torque (Drehmoment) und sensing (fühlend) zusammen. Das Torsen-Differenzial hatte sich in der Technikwelt bereits als Hightech-Hinterachsgetriebe bewährt, Audi entwickelte es zum Mittendifferenzial weiter.

Die Neuerung im Torsen-Differenzial waren die sogenannten Schneckenräder – die Bezeichnung kommt von ihrer speziellen Schrägverzahnung. Die beiden Sonnenräder an den Enden der nach vorn und hinten führenden Abtriebswellen stehen im Eingriff mit je drei walzenförmigen Ausgleichsrädern; diese sind dreiecksförmig um sie herum angeordnet und paarweise durch Stirnräder untereinander verzahnt. Wenn die Räder einer Fahrzeugachse weniger Kraft aufnehmen können, entsteht in den schrägen Verzahnungen der Bauteile Reibung. Die Schneckenräder lenken die Kraft blitzschnell und stufenlos zur Achse mit der höheren Traktion um.

Die Grundverteilung der Momente betrug weiterhin 50 : 50, bei Bedarf flossen bis zu 75 Prozent auf die Achse mit der besseren Traktion. Das Torsen-Differenzial entwickelte seine Sperrwirkung nur unter Last. Sobald der Fahrer vom Gas ging, war die Sperre aufgehoben – damit blieb das ABS immer dann wirksam, wenn es gebraucht wurde. Um die Traktion beim Anfahren unter extremen Bedingungen weiter zu steigern, konnte der Fahrer weiterhin das Differenzial an der Hinter­achse per Knopfdruck elektropneumatisch sperren.

Die hydraulische Lamellenkupplung
Das Torsen-Differenzial ist eine hervorragende Lösung für einen längs installierten Motor und einen Antriebsstrang, der in gerader Linie zum Heck verläuft. Für die quer eingebauten Aggregate in den Kompaktmodellen wählte Audi eine völlig andere Technologie – eine Lamellenkupplung, die elektronisch gesteuert und hydraulisch betätigt wird. Sie gab ihren Einstand 1998 im TT quattro und A3 quattro.

Die Kupplung sitzt am Ende der Kardanwelle vor dem Hinterachsdifferenzial – eine Einbaulage, die auch der Achslastverteilung des Fahrzeugs zugute kommt. In der Grundverteilung geht der allergrößte Teil der Motorkräfte auf die Vorder­achse. Das Steuergerät analysiert die Fahrbedingungen permanent mithilfe einer Vielzahl an Daten; wenn nötig, leitet es eine Umverteilung der Kräfte ein.

Im Inneren der Kupplung befindet sich ein Paket Lamellen, das im Ölbad läuft. Die metallenen Reibringe liegen paarweise hintereinander – abwechselnd ist je ein Ring fest mit dem Gehäuse, das mit der Kardanwelle rotiert, verzahnt, der andere mit der Abtriebswelle zum Hinterachsdifferenzial. Das Lamellenpaket kann durch geregelten hydraulischen Druck zusammengepresst werden. Wenn der Druck steigt, strömt stufenlos mehr Moment auf die Hinterachse, in manchen Fällen fast 100 Prozent.

Zum schnellen Aufbau des Öldrucks, der über 100 bar erreichen kann, dienen zwei elektrisch angetriebene Pumpen. In den aktuellen A3- und TT-Modellen sorgt ein Speicher, der den Öldruck permanent vorhält, für die noch schnellere Neuverteilung der Kräfte, sie erfolgt innerhalb weniger Millisekunden.

Das selbst sperrende Mittendifferenzial
Im RS 4 der zweiten Generation zündete Audi 2005 die nächste Evolutionsstufe seines klassischen quattro-Antriebs. Das neue selbstsperrende Mittendifferenzial, das heute in vielen Modellen mit längs eingebautem Motor aktiv ist, blieb dem rein mechanischen Prinzip treu, stellte gegenüber dem Torsen-Differenzial jedoch einen erheblichen Fortschritt dar.

Im normalen Fahrbetrieb lautet die Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse 40 : 60 – diese asymmetrisch-dynamische Momentenverteilung führt zu einem sportlichen, heckbetonten Handling. Bei Bedarf kann das Mitten­differenzial bis zu 60 Prozent der Kräfte nach vorne und bis zu 80 Prozent nach hinten umleiten. Falls ein Rad einer Achse durchdrehen sollte, regelt es die Elektronische Differenzialsperre EDS per Bremseneingriff ab.

Das selbst sperrende Mittendifferenzial ist als Planetengetriebe aufgebaut. Ein Hohlrad schließt ein Sonnenrad ein; zwischen beiden drehen sich walzenförmige Planetenräder, die mit dem rotierenden Gehäuse verbunden sind. Sie verteilen die Antriebsmomente asymmetrisch – der etwas größere Teil fließt über das Hohlrad, das einen größeren Durchmesser hat, und die mit ihm verbundene Abtriebswelle zum Heck. Der kleinere Anteil gelangt auf das kleinere Sonnenrad und geht von dort zur Vorderachse.

Wenn die Traktion an einer Achse nachlässt, entstehen durch die schnecken­artige Form der Zahnräder und ihre schrägen Steckverzahnungen axiale Kräfte im Differenzial. Sie sorgen über Reibscheiben für ein definiertes Sperrmoment, das die Umleitung der Kräfte zu den Rädern mit den besseren Reibwerten bewirkt.

Der große SUV Q7 nutzt eine Sonderform des selbst sperrenden Mitten­differenzials – es ist in ein Verteilergetriebe integriert. Das Sonnenrad treibt über eine Kette eine Nebenwelle an, die am Getriebe vorbei zur Vorderachse führt. Die Kette übernimmt den Transport des Öls, die sonst übliche Ölpumpe entfällt. Der gesamte Antriebsstrang des Q7 hat in der jüngsten Evolutionsstufe deutlich an Gewicht verloren. Unabhängig davon baut das Verteilergetriebe überaus robust; zudem erlaubt  es eine hohe Bodenfreiheit, wichtig für den Einsatz im Gelände.

Die Viscokupplung
Der Hochleistungssportwagen R8 nimmt eine Sonderstellung im Programm von Audi ein – auch bei seinem Packaging und seinem Antrieb. Der Mittelmotor ist längs im Heck vor der Hinterachse platziert, das Getriebe direkt hinter ihm. Es integriert einen Nebenabtrieb für eine Kardanwelle, die seitlich am Motor vorbei zur Vorderachse läuft.

Dort übernimmt eine Viscokupplung die Kraftverteilung zwischen der Vorder­achse und der mit einem Sperrdifferenzial arbeitenden Hinterachse. Im regulären Fahrbetrieb zweigt die Kupplung nur etwa 15 Prozent der Momente für die Vorderachse ab – der R8 fährt sich Sportwagen-typisch heckbetont. Wenn die Hinterräder Schlupf aufweisen, fließen binnen kürzester Zeit weitere 15 Prozent nach vorn.

Der Hauptbestandteil der Viscokupplung ist ein Paket runder Lamellenscheiben, die abwechselnd unterschiedlich verzahnt sind: Jeweils eine ist über das Gehäuse mit der Kardanwelle verbunden, die jeweils nächste mit der Abtriebs­welle zur Vorderachse. Die Lamellen laufen in einer viskosen Flüssigkeit.

Wenn sie aufgrund eines Traktionsverlustes an der Hinterachse mit stark unterschiedlichen Drehzahlen rotieren, wird das Öl aufgrund seiner inneren Reibung zäher. Durch das Mitnehmen der jeweils anderen Lamellenscheiben gelangt jetzt ein erhöhtes Moment an die Abtriebswelle zur Vorderachse.

Das Sportdifferenzial
Das selbst sperrende Mittendifferenzial im klassischen quattro-Antriebsstrang verteilt die Kräfte zwischen den Achsen exzellent. Um die Fahrdynamik noch weiter zu steigern, hat Audi Ende 2008 in der dynamischen Limousine S4 ein zusätzliches Bauteil vorgestellt, das die Momente aktiv zwischen den Rädern der Hinterachse aufteilt – das Sportdifferenzial.

Das Sportdifferenzial ist ein Hinterachsgetriebe auf dem jüngsten Stand der Technik. Das klassische Differenzial wurde links und rechts um eine Überlagerungsstufe erweitert. Aus zwei Sonnenrädern und einem Hohlrad bestehend, dreht  sie sich um zehn Prozent schneller als die Antriebswelle.

Eine Lamellenkupplung, die im Ölbad läuft und von einem elektrohydraulischen Aktuator betätigt wird, stellt den Kraftschluss zwischen der Welle und der Überlagerungsstufe her. Wenn die Kupplung schließt, zwingt sie dem Rad stufenlos die höhere Drehzahl der Überlagerungsstufe auf. Der Zwang, sich schneller zu drehen, führt dazu, dass das dafür notwendige zusätzliche Moment dem kurveninneren Rad über das Differenzial entzogen wird. Auf diese Weise kann fast das komplette Drehmoment auf ein Rad fließen, bis zu 1.800 Nm Differenz sind möglich.

Das Sportdifferenzial agiert im Schubbetrieb genauso wirkungsvoll wie unter Last. Seine Regelung erfolgt elektronisch innerhalb weniger Hundertstel­sekunden – Audi hat die Software selbst entwickelt. Anhand von Lenkwinkel, Gierwinkel, Querbeschleunigung, Geschwindigkeit und weiteren Informationen errechnet das Steuergerät die ideale Verteilung der Kräfte für jede Fahrsituation blitzschnell und immer wieder neu.

Fahrzeuge mit konventionellen Achsgetrieben neigen in schnell gefahrenen Kurven zum Untersteuern – mit dem Sportdifferenzial hingegen fährt man wie auf Schienen. Beim Anlenken oder Beschleunigen in der Kurve werden die Momente überwiegend zum kurvenäußeren Rad gelenkt – sie drücken das Auto in die Kurve hinein. So wirkt das System der Tendenz zum Über- oder Untersteuern schon im Ansatz entgegen.

Das Kronenraddifferenzial
Genau 30 Jahre nach dem Debüt des ersten quattro hat Audi die jüngste Evolutionsstufe seines permanenten Allradantriebs für längs eingebaute Frontmotoren eingeführt – den quattro-Antrieb mit Kronenraddifferenzial und radselektiver Momentensteuerung.

Im Inneren des neuen Mittendifferenzials, das im RS5, im A7 Sportback und im neuen A6 zum Einsatz kommt, drehen sich zwei Kronenräder, die ihren Namen ihrer Verzahnungsgeometrie verdanken. Das hintere Rad treibt die Kardanwelle zum Hinterachsdifferenzial an, das vordere den Abtrieb zum Vorderachs­differenzial. Die Kronenräder stehen mit vier drehbar gelagerten Ausgleichsrä­dern im Eingriff. Sie sind im 90-Grad-Winkel zueinander angeordnet und erhalten ihren Antrieb vom Gehäuse des Differenzials, also von der Getriebeausgangs­welle.

Im normalen Fahrbetrieb drehen sich die beiden Kronenräder so schnell wie das Gehäuse. Aufgrund ihrer speziellen Geometrie ergeben sich gezielt ungleiche Hebelwirkungen: In der Grundverteilung gehen 60 Prozent des Motormoments zum Differenzial der Hinterachse und 40 Prozent nach vorne.

Wenn sich die Momente verschieben, weil der Grip an einer Achse nachlässt, entstehen unterschiedliche Drehzahlen und axiale Kräfte im Inneren des Differenzials – sie führen dazu, dass die benachbarten Lamellenpakete aneinander gepresst werden. Die entstehende Selbstsperrwirkung leitet nun das Gros des Antriebsmoments auf die Achse mit der besseren Traktion, bis zu 85 Prozent fließen nach hinten. Im umgekehrten Fall – wenn die Hinterachse weniger Grip hat – vollzieht sich dieser Vorgang entsprechend, jetzt fließen bis zu 70 Prozent der Momente an die Vorderachse.

Mit dieser noch breiteren Momentenverteilung übertrifft das Kronenraddifferenzial seine Vorgänger – die Traktion wird noch besser. Die Umverteilung der Kräfte und Momente erfolgt ohne zeitliche Verzögerung und absolut homogen, die aktive mechanische Arbeitsweise garantiert höchste Effizienz und verzögerungs­freie Reaktionen. Weitere Stärken des Kronenraddifferenzials sind seine Kompaktheit und das geringe Gewicht – mit 4,8 Kilogramm ist es etwa zwei Kilogramm leichter als sein Vorgänger-Bauteil.

Audi koppelt das Kronenraddifferenzial mit einer intelligenten Softwarelösung im Bremsenmanagement, der radselektiven Momentensteuerung. Sie kann auf jedes der vier Räder gezielt zugreifen. Das neue System macht Kurvenfahrten noch präziser und dynamischer.

Bei schneller Kurvenfahrt ermittelt die Software aus der Lenkvorgabe und der Position des Gaspedals die optimale Verteilung der Antriebskräfte auf alle vier Räder. Wenn sie erkennt, dass die entlasteten kurveninneren Räder bald durchrutschen werden, bremst sie diese ganz leicht ab – ein feines Anlegen der Beläge an die Scheibe mit minimalem Druck genügt.

Über die Wirkung des Differenzials können die kurvenäußeren Räder mehr Antriebsmoment auf die Straße bringen. Die Unterstützung erfolgt gleitend und kontinuierlich. Das Auto bleibt merklich länger neutral, das Untersteuern beim Einlenken und Beschleunigen wird praktisch neutralisiert, und die Eingriffe des ESP erfolgen später und weicher – falls sie überhaupt noch nötig sind.

Die angegebenen Ausstattungen und Daten beziehen sich auf das in Deutschland angebotene Modellprogramm. Änderungen und Irrtümer vorbehalten.