Ein Auto, das seine Antriebskräfte auf alle vier Räder verteilt, kann an jedem Rad mehr Seitenführungskraft aufbauen als ein Heck- oder Fronttriebler; seine Traktion und das Kurvenverhalten sind überlegen. Diese physikalischen Grund­sätze wurden bei Audi offenbar sorgfältiger bedacht als bei den Wettbewerbern - sie gaben der quattro-Geschichte die Initialzündung.

Das Allradprojekt startete im Frühjahr 1977 unter dem Code Entwicklungs­auftrag 262. Seine Väter waren drei junge Audi-Ingenieure: Jörg Bensinger, der Leiter des Bereichs Fahrwerkversuchs, Walter Treser als Projektleiter und Technikchef Dr. Ferdinand Piëch. Als Prototyp diente ein modifizierter Audi 80 der ersten Generation mit leicht gestrecktem Radstand und dem längs eingebauten Turbo-Fünfzylinder des künftigen Typs 200. Er gab seine Kraft an den Allradantrieb des Militärgeländewagens VW Iltis weiter, der bei Audi entwickelt worden war. Als Hinterradaufhängung fungierte eine zweite Mc-Pherson-Vorderachse, um 180 Grad gedreht.

Bei Fahrten auf der steilen, tief verschneiten Turracher Höhe in der Steiermark im Januar 1978 konnte der Versuchsträger mit dem Kennzeichen IN - NC 92 seine Stärken in Sachen Traktion überzeugend ausspielen. Auf trockenem Asphalt aber traten in engen Kehren spürbare Verspannungen auf. In Kurven befahren die vorderen Räder einen etwas größeren Bogen als die hinteren; deshalb müssen sie in der Lage sein, sich schneller zu drehen. Beim Prototypen konnten sie das nicht, weil - anders als beim Iltis mit seinem abschaltbaren Frontantrieb - seine Achsen starr miteinander verbunden waren. Die Audi-Entwickler hatten zwei Ziele fest im Auge: Ihr neuer Allradantrieb sollte permanent laufen, und er musste ohne ein separates Mitteldifferenzial samt zweiter Kardanwelle auskommen - diese schweren Bauteile waren in den 70er Jahren noch Standard.

Franz Tengler, Abteilungsleiter in der Getriebekonstruktion, verfiel auf eine Idee, die so einfach wie genial war - eine 26,3 Zentimeter lange, hohl gebohrte Sekundärwelle im Getriebe, über die die Kraft in zwei Richtungen floss. Von ihrem hinteren Ende aus trieb sie den Käfig des manuell sperrbaren Zwischen­differenzials an; in das Getriebe integriert, sandte es 50 Prozent der Kraft via Kardanwelle an die Hinterachse, die über ein eigenes Sperrdifferenzial verfügte. Die andere Hälfte floss durch eine in der Sekundärwelle laufende Abtriebswelle zum Vorderachsdifferenzial. Die Hohlwelle ermöglichte erstmals in der Automobilgeschichte einen Allradantrieb, der leicht, kompakt und effizient im Wirkungsgrad war. Damit eignete er sich - und das war der entscheidende Durchbruch - nicht mehr nur für hochbeinige Geländewagen und Lastwagen, sondern ganz speziell für sportliche Pkws.

Mit dem Beginn des Modelljahrs 1988 zog eine wichtige Neuerung in das quattro-Konzept ein: Das Torsen-Differenzial, ein selbstsperrendes Schneckenradgetriebe, ersetzte das manuelle Sperrdifferenzial. Wie sein Name andeutet - er ist vom englischen Begriff „torque-sensing“ (Drehmoment-fühlend) abgeleitet, verteilt es die Antriebskräfte je nach Bedarf stufenlos; im Extremfall bekommt die Achse mit der besseren Traktion 75 Prozent zugeteilt. Dank des Torsen-Differenzials, das seine Sperrwirkung nur unter Last entfaltet, bleibt das Antiblockiersystem immer dann wirksam, wenn es gebraucht wird. Heute ergänzen moderne Techniken wie elektronisch gesteuerte Differenzialsperren an den Achsen und das Fahrstabilitäts­system ESP die Arbeit des Torsen-Differenzials.